Verkündigen – oder: welches Zeugnis gebe ich?
Die Texte an Christi Himmelfahrt des Lesejahres A, die Lesungen (Apg 1, 1–11 und Eph 1, 17–23) und das Evangelium (Mt 28, 16–20), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus geht auf’s Ganze: vier Mal spricht Er in Seiner Abschiedsrede das Wort „alles“. Ihm ist alle Macht gegeben; wir sollen alle Völker zu Seinen Jüngern machen und sie lehren, alles zu befolgen, was ER gesagt hat; und schließlich ist er alle Tage bis zum Ende der Welt bei uns.
Was für ein Anspruch – und was für ein Auftrag! Wir tun uns hier bei uns schwer damit. Toleranz ist angesagt, „wokeness“, jeder und jede darf nach der eigenen Facon glücklich werden. Geschichtsbewusste sprechen von den Fehlern der Vergangenheit und dem kolonialen Erbe, das auch das Christentum aufweist. Man möchte niemandem etwas aufzwingen und überhaupt wollen ja alle Religionen irgendwie das gleiche.
Das alles wäre jetzt ein Thema für einen langen Vortrag! Mir geht es hier um etwas anderes. Mir stellt sich die Frage, wie es geschehen konnte, dass wir eher von der „Sache Jesu“ sprechen, anstatt von einer Beziehung?!
- „Geht zu allen und macht alle zu Jüngern!“ – ein Jünger ist nicht jemand, der an etwas glaubt, sondern der eine Beziehung zu jemandem hat: dem gegenüber er „Jünger“ ist! Jesus lebte in einer besonderen Weise mit Seinen Jüngern – und genau das möchte Er allen ermöglichen! Diese besondere Beziehung steht jedem Menschen offen, eine Beziehung, die einzigartig ist.
- „Alles befolgen“ – schauen wir in das Evangelium: Das geht es nicht um Glaubenssätze, da geht es um eine Einstellung zum Leben. Da geht es darum, mich dem liebenden Vater zu öffnen und mich davon leiten und lenken zu lassen; es geht um Barmherzigkeit und Vergebung; es geht um die Fähigkeit, einen anderen tatsächlich als geliebtes Kind des Himmlischen Vaters zu sehen. Es geht nicht um Glaubenssätze, nicht um den Inhalt eines Buches!
- „Ich bin bei euch alle Tage“ – darum geht es: ER ist bei uns, so, wie er es damals bei den Jüngern war. ER will so wie damals jetzt eine Beziehung mit uns leben. Seine Himmelfahrt machte das möglich.
- Ich traf in diesen Tagen im Ausland einen jungen Mann, der in wenigen Monaten zum Diakon geweiht wird. Er ist Deutscher und gehört einer Spanisch sprechenden Priestergemeinschaft an. Er sagte in einem Gespräch beiläufig: ich bereite mich auf meinen Missionseinsatz vor – in Deutschland!
- Missionsland Deutschland: Wir haben als Kirche viele Gebäude, viel Geld, viele Einrichtungen und Angebote. Aber wo sprechen wir über unsere Beziehung zu Christus, unsere Erfahrung mit Ihm? Ich erlebe es selten. Was hindert uns? Schämen wir uns? Oder kann es sein, dass viele sie gar nicht haben, eine Beziehung, die dem entspricht, was Jesus eine „Jüngerschaft“ nennt?
Ein arabisches Sprichwort sagt: „Zu wissen, wo Wasser ist, aber es für sich zu behalten, ist Sünde“. Wir Christen sitzen an der Quelle! Wissen wir das überhaupt, ist es uns bewusst?
Ich möchte nicht missverstanden werden – was leicht passiert, denn bei diesem Thema bin und werde ich immer leidenschaftlich und dann hört sich das an wie ein Vorwurf! – aber ich möchte uns alle ermutigen, über unsere Beziehung zu Christus zu sprechen. Es geht nicht um Glaubenssätze oder Fragen der Moral. Es geht darum, wie sehr mich meine Freundschaft zu Christus im Alltag trägt, wie ER mich begleitet und Entscheidungen meines Alltags steuert.
Vielleicht entdecken wir dabei, dass wir Nachholbedarf haben, dass also unsere Beziehung gar nicht eine solche Qualität hat. Aber genau deswegen sind wir doch Gemeinde – und das ist unsere Daseinsberechtigung: Uns zur Jüngerschaft zu ermutigen, uns darin zu stärken, um dann Seinem Auftrag zu entsprechen, den wir heute im Evangelium gehört haben.
Ich wünsche anderen das, was ich selbst mit IHM erlebe. Ich will und kann darüber nicht schweigen. Darum geht es. Das ist der Auftrag der Himmelfahrt.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der zum Vater heimgekehrt, immer bei uns ist und für uns eintritt, bitten wir:
- Lass uns als Deine Kirche davon Zeugnis geben, dass Dir alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist und dass Du den Lebensweg eines jeden begleiten möchtest.
(Christus, höre uns – Christus, er höre uns) - Wir bitten dich für unsere Kinder und Jugendlichen: Lass sie auch durch ihre Eltern Deine Nähe und Freundschaft erfahren, so dass auch sie es wagen, ihre Zukunft mit Dir zu gestalten.
- Lass Christen aller Konfessionen im Blick auf Dich zusammenfinden und so der Welt ein Zeichen der Einheit in Verschiedenheit sein.
- Für die, die uns um das Gebet gebeten haben: Sei ihnen nahe und schenke ihnen die Gewissheit, dass Du sie begleitest und führst.
- Für unsere Verstorbenen: Schenke ihnen die Fülle des Lebens, das Du uns allen verheißen hast.
So bitten wir Dich, der Du mit dem Vater und dem Geist lebst und wirkst in alle Ewigkeit.
Amen.