Untergangsstimmung – oder: Wissen, auf wen ich zählen kann
- Untergangsstimmung – oder: Wissen, auf wen ich zählen kann
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore über das Absturz und Halt am 33. Sonntag im Jahreskreis zum Download
Die Texte zum 33. Sonntag im Jahreskreis wie der Lesungen (Dan 12, 1–3 und Hebr 10, 11–14.18) und des Evangeliums (Mk 13, 24–32) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
Weltuntergang, dramatisch, bedrohlich. Das Evangelium berichtet in Bildersprache davon, dass „Sterne vom Himmel fallen“: Gegen Ende des 2. Weltkrieges kommt ein junger deutscher Soldat in russische Gefangenschaft und wird dort zum Tode verurteilt, später zu lebenslanger Haft. In der Eintönigkeit und Härte des Gefangenenalltags gibt es einen Lichtblick: Viermal im Jahr dürfen die Gefangenen Briefe in die Heimat schreiben und empfangen. Der Gefangene schreibt seiner jungen Frau, die er noch im Krieg geheiratet hatte. Das hält ihn am Leben. Doch bald bleiben die Antworten aus. Der Soldat wendet sich an seine Eltern mit der Bitte, doch herauszufinden, was da passiert sei. Es dauert lange, bis die Antwort kam, zumal sie von der Lagerleitung zurückgehalten wird, für einen besonderen Anlass: Für Heiligabend. Da bekommt er den Antwortbrief der Eltern: Sie teilen ihm mit, dass seine Frau einen anderen Mann gefunden hat. Aus. In all der Not verfinstert sich in diesem Moment auch noch die Sonne der Hoffnung, die „Sterne fallen vom Himmel“; die Kräfte, die vorher da waren, um das Leben zu ertragen, sind verschwunden. Wofür jetzt noch leben? Weltuntergang.
Sterne fallen vom Himmel. Das macht Angst. Wir spüren das in diesen Tagen und Wochen wieder sehr stark: Wir sehnen uns nach Halt in einer verwirrenden Zeit. Jesus spricht im Evangelium von all dem was nicht nur Seine Jünger verwirren mag Er macht ihnen nichts vor, Er beschönigt nichts. Er sagt aber auch: „Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen“ (Mk 13,26).
Die Tochter des Soldaten erzählt im Rückblick auf das Leben ihres Vaters im Trauergespräch wie es weiter ging: Der junge Mann in russischer Gefangenschaft hatte keine Kraft mehr. Äußerlich gefangen, innerlich verlassen, abgehängt. In diesem Weltuntergang ist es ein Freund, ein Mitgefangener, der sich zwei Tage hindurch ununterbrochen um ihn kümmert, um ihn vorm Selbstmord zu bewahren. Warum sollte er überleben, wofür? Ein Freund ist da und hält einfach aus, ist da und erweist sich so in dieser Situation als jemand, der etwas Unglaubliches ermöglicht: Dass neue Lebenskraft in den jungen Mann kommt!
Was für ein Geschenk in dieser dunklen Stunde: Ein Freund! Nicht nur die Heilige Schrift beschreibt einen Freund als eines der größten Geschenke, die uns das Leben machen kann. Ein Freund – für einen gläubigen Menschen steht dahinter immer auch „der Andere“, Christus.
Die Bildersprache dieses Evangeliums ist noch nicht zu Ende. Es folgt das Bild eines Feigenbaumes, das Bild der Natur: „Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr all das geschehen sehr, dass das Ende vor der Tür steht“ (Mk 13,28f.). Dort, wo für uns, für mich, Ende ist, sind die Möglichkeiten Gottes noch lange nicht erschöpft. Im Gegenteil! Dann kommt der Sommer, die Wärme, das neue Leben! Es wird neue und saftige Früchte geben!
Der junge Soldat kommt schließlich wie Tausende andere auch durch die Vermittlung Adenauers in den 50iger Jahren nach Hause, in ein ihm fremdes Leben. Er bleibt gezeichnet: Körperlich, seelisch, von Erinnerungen, die nicht einfach abgelegt werden können. Und doch: Er kommt auch in ein neues Leben mit einer Frau, Kindern, neuer Heimat.
Liebe Schwestern und Brüder, es ist Frohe Botschaft, was wir heute in den Lesungen hören. Gerade in unserer jetzigen Zeit. Gerade in Not und Traurigkeit, in Verzweiflung und Nichtwissen ist Gott zum Greifen nahe. Gerade auch durch diejenigen, die sich Christus als Freund zur Verfügung stellen – wie der Kamerad des verzweifelten Soldaten: Er war wirklich ein „Cum-pane“, einer, der das Brot mit dem anderen teilte, das Brot, das ihn am Leben hielt in einer Zeit, in der “die Sterne vom Himmel fielen!“ Das braucht es heute. Wir Christen sind – so sagt es uns Jesus – das Licht der Welt und das Salz, die Stadt auf dem Berge (vgl. Mt 5, 13ff.). Warten wir nicht auf andere: Stellen wir uns IHM zur Verfügung. Es kann, es wird dadurch so viel Heil geschehen und dann wird diese Zeit im Rückblick zu einer Zeit besonderer Nähe und Mitmenschlichkeit.
Amen.
Guter Gott, in Dir liegen Anfang und Ende - wir bitten Dich:
- Lass uns Christen nicht müde werden, an einer friedlicheren Welt mitzubauen und Zeugen dafür sein, dass das Leben siegt.
(Barmherziger Vater – wir bitten Dich, erhöre uns) - Schenke denen, die durch Krankheit, Leid und Tod eines nahen Menschen aus der Bahn geworfen wurden, die Kraft für einen Neuanfang.
- Lass uns immer wieder erfahren, dass da, wo wir nur Ende sehen, ein Neuanfang durch Dich geschenkt wird.
- Angesichts der Not vieler Flüchtlinge, besonders derer, die im Grenzgebiet zwischen Weißrussland und Polen gefangen sind, bitten wir Dich um den Mut und die Bereitschaft, das Notwendige zu tun und gleichzeitig das Vertrauen in Deine Vorsehung.
- Wir bitten Dich für all unsere Verstorbenen: Lass sie bei Dir ewige Heimat finden.
Denn Du bist das Leben und schenkst Dich uns. Dir sei Dank, der Du mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.