Ostern – oder: die Angst vor dem neuen Anfang besiegen


Liebe Schwestern und Brüder,
eigentlich sollte es ein letzter Gruß und ein letzter Dienst sein. Während die Jünger eher daran dachten, sich in Sicherheit zu bringen, möchten die Frauen dem Gekreuzigten eine letzte Ehre erweisen: den Leichnam salben! Etwas, das so selbstverständlich zum Abschied nehmen dazugehört und doch in diesem Fall unterbleiben musste. Die Liebe der Frauen und ihre Treue reichen über den Tod hinaus und bald werden sie erfahren, dass auch Gottes Liebe über den Tod hinausreicht.
Etwas Wichtiges nachholen wollen – geht das? Zumal: der Stein! Sind sie so kopflos, dass sie daran nicht vorher dachten – oder so naiv, dass sie meinten, irgendwie lässt sich das Problem sicher lösen? Oder gab es da doch noch irgendeine diffuse Hoffnung…?
- Ich versuche es mir vorzustellen: Nach der brutalen Erfahrung von Gewalt, Hass und Kreuzigung stehen all diese Bilder noch lebendig vor Augen. Mit diesem Entsetzlichen fertigzuwerden; der Wunsch nach Trauerbewältigung; Schritt für Schritt in der neuen Wirklichkeit ankommen, um so auch zu lernen, damit irgendwie zurecht zu kommen. Und dann: es ist ganz anders! Etwas Bestimmtes zu erwarten und sei es noch so schrecklich, und dann etwas ganz anderes vorzufinden. Was die Frauen suchen ist nicht da. Der Tote ist nicht da!
- Wir wissen, warum das so war, die Frauen werden es erst noch erfahren. Dennoch bewahrt und dieses Wissen nicht vor der Haltung, in der Vergangenheit gefangen zu sein. Ich kenne das von mir selber gut genug: da hänge ich fest in einer Schleife der Enttäuschung; da will eine Verletzung nicht heilen, da ich ständig darin herumbohre und mir vorstelle, was alles hätte anders sein können. Ja, der Zug ist längst abgefahren aber ich stehe noch am Gleis.
Ich frage mich und möchte diese Frage damit auch weitergeben: Wo suche ich das Leben? Wo suchen wir das Leben? In der Sicherheit alter Routinen; in Strukturen, die zwar wie ein Korsett einschnüren, dabei aber doch so etwas wie Sicherheit vorgaukeln? Die letzten Monate haben uns weltweit gezeigt, dass Sicherheiten sehr relativ sind; sie haben uns in unserem Land gezeigt, wie erbärmlich eine Kirche aussehen kann, die Ihn aus dem Blick verliert. Den Toten salben? Hoffen, dass Steine irgendwie verrückt werden können? Aus Trümmern doch noch so etwas wie einen Unterstand bauen? Wem ist damit gedient – außer meiner eigenen Trauerarbeit?
- Ostern feiern heißt: meine fixen Ideen werden durchkreuzt, meine Erwartungen enttäuscht – im wahrsten Sinne des Wortes. Es gibt noch eine andere Realität, eine, die von Gott gesetzt wird und die wir nicht machen können und sei es durch noch so festliche Gottesdienste. Nein, was uns in dieser Nacht und in diesen Tagen wieder neu gesagt wird ist, dass das Leben kreativ ist, dass Gottes Wege mit uns – und keineswegs nur mit der Kirche – immer neu zu einem neuen Leben führen.
- Das kann auch Angst machen. Klar! Mit dem Tod umzugehen, auch wenn er noch so schrecklich daher kommt, das bekommen wir hin – nicht nur die Frauen frühmorgens am Grab. Wir mögen den Tod verdrängen, aber letztlich wissen wir: wir können ihm nicht entkommen. Was aber wirklich Angst machen kann: ein neuer Anfang! Neue Unsicherheiten, die das Leben mit sich bringt. Aber nur so wird es geschehen: Ostern. Es wird geschehen, wenn wir bereit sind, uns auf das Neue einzulassen – nicht, weil es neu ist, sondern weil es aus dem Tod geboren ist und von Gott kommt.
Das betrifft doch nicht einfach nur unsere Verstorbenen, von denen wir als Christen durch Ostern wissen, dass sie nicht einfach wiederbelebt wurden, sondern ganz neu bei Gott leben. Wie? Das wissen wir noch nicht. Das müssen wir aber auch nicht. Wichtig ist es doch zu wissen, dass sie angekommen sind!
- Ostern hat aber doch ganz entscheidend Auswirkungen auf unser Hier und Jetzt, auf unser konkretes Leben vor Ort. Wie genau? Das müssen wir als Gemeinschaft und Familie miteinander entdecken; als Einzelne gilt es, nachzuspüren, was das heißen kann. Mich, uns zu öffnen für das, was von Gott kommt. Bei den Frauen war es ein Engel. Bei uns heute Nacht die Botschaft, die vorgetragen wurde.
Jetzt geht es erst einmal darum, dass wir die Kunde weitertragen, das Neues Leben geschenkt wird, dass ER uns vorausgeht – nicht in die Ferne, sondern nach Galiläa, dorthin also, wo wir mit Ihm den Alltag bisher verbracht haben.
Bleiben wir gespannt-neugierig.
Halleluja.
Fürbitten Osternacht 2021
Unseren Herrn Jesus Christus, den der Vater von den Toten auferweckt hat und uns alle mit neuem Leben beschenken will, bitten wir:
- Wir bitten Dich für Deine Kirche weltweit und hier bei uns: Dass wir aus der Feier dieser Nacht die Freude für ein Leben in der Nachfolge und im Liebesdienst am Nächsten schöpfen.
(Christus, Du Lebendiger – wir bitten Dich, erhöre uns)
- Wir bitten Dich für alle, die in dieser Zeit der Pandemie ihr Leben, ihre Energie und Arbeitskraft für das Wohl derer einsetzen, deren Leben durch Krankheit, Einsamkeit oder Existenzängste gemindert ist.
- Wir bitten Dich um eine Erneuerung unseres Glaubens und den Mut, Deinen Verheißungen mehr zu trauen als unseren Enttäuschungen und Ängsten.
- Dies Nacht ist eine Nacht der Befreiung. So bitten wir für alle, die gefangen sind: In Abhängigkeit und Sucht; in ihrer Schuldgeschichte; in der Not finanzieller Abhängigkeiten; in der sinnlosen Routine ihres Lebens.
- Wir bitten Dich auch für unsere Verstorbenen: Lass sie das neue Leben in Deiner Gemeinschaft erfahren.
Allmächtiger Vater, in Deinem Sohn hast Du uns alles geschenkt. Dir sei Dank, der Du mit ihm und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.

