Menschenliebe Gottes – oder: Liebe ist konkret
Die Texte des ersten Weihnachtstages 2024 des Lesejahres C, die Lesungen (Jes 52, 7–10 und Hebr 1, 1–6) und das Evangelium (Joh 1, 1–18), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ein Wort – wenn es nicht meint, was es sagt, was sollen wir dann damit? Wenn Gott ein Wort hat, ja wenn ER selbst dieses Wort ist, dann muss es – sonst hätte es nichts mit Gott zu tun! – in sich wahrhaftig und stimmig sein. Mehr noch: Es gibt ein Vorher und ein Nachher! Ist das Wort erst einmal gesprochen, gilt etwas Neues. Mit Weihnachten bringt Gott sich selbst ins Spiel und ER wird eindeutig, ja ER wird parteiisch, denn – wir hörten das in der Heiligen Nacht – ER ist gekommen, ER spricht sich aus, um den Menschen zu retten. Das Wort Gottes, Gott selbst hat eine eindeutige Präferenz: „Menschenliebe“ nennt es Paulus an Titus (Tit 3,4). Ist das zu fassen?!
Die Sehnsucht nach Liebe: Sie ist tief in uns Menschen eingepflanzt. Wir könnten mit allem versorgt werden, doch wenn die Liebe fehlt, verkümmern wir. Wie sehr sie oft fehlt: wir merken, wir spüren es schmerzlich. Und wir sind vorsichtig geworden, denn wir sind keine unbeschriebenen Blätter mehr, wir sind oft tief verletzt von dem, was sich Liebe nannte, aber doch nur verkleideter Egoismus war.
Kommt Gott an uns heran? ER steht auf unserer Seite – können wir das glauben? ER ist grundsätzlich einseitig und ergreift für uns, den Menschen, den ER erschaffen hat, Partei.
Gott als Wort ergreift Raum: Unsere Krippendarstellungen machen das deutlich. Was kann denn ein Neugeborenes schon ausrichten? So ein Winzling?!
Wenn wir richtig hinschauen: Die Krippendarstellungen sind alles andere als naiv. Gerade in den Ikonen der Ostkirche ist die Krippe oft einem Altar ähnlich – Ochs und Esel, die die noch unverständige Menschheit, Judentum und Heidentum, repräsentieren, fressen von diesem Krippen-Altar!
Wenn ich mich so von IHM ernähre und das Wort nachkaue, geschieht etwas. Nachzulesen ist dieses Wort in denen, die davon gekostet haben und erfuhren, wie sehr die Liebe sie befreite und sie eindeutig SEIN Wort nachsprechen konnten.
„Was würde fehlen ohne ihn?“, so fragt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in ihrer Weihnachtsausgabe. Auf alle Fälle würde fehlen, was durch IHN bis heute geschieht – und was nicht geschehen würde, wäre ER nicht gekommen:
Als Mutter Teresa anfing, unter den Armen zu leben, kümmerte das noch niemanden. Als sie begann, das zu tun, was schon die frühen Christen in Rom taten, nämlich ausgesetzte Kinder aufzulesen und Wege zu ihrer Adoption suchte, wurde die Stadtverwaltung Kalkuttas nervös: sie wollten vor der Weltöffentlichkeit nicht in einem schlechten Licht dastehen.
Als Johannes Paul II. die Rechte der Arbeiter und die freie Religionsausübung einforderte, brachte das ein Weltreich zum Kippen und ihm beinahe den Tod durch ein Attentat. Als er in der gleichen Weise in der westlichen Welt für die Rechte der armen Länder, gegen Konsumismus, Abtreibung und Euthanasie eintrat, schlug auch hier die Stimmung gegen ihn um.
In diesem für mich sehr herausfordernden Jahr wurde ich durch einen Studienfreund auf den spanischen Jesuitenpater Luis Espinal aufmerksam, der in den 70iger Jahren des letzen Jahrhunderts in Bolivien auf der Seite der Armen und Entrechteten dem Evangelium eine Stimme gab. Er sagte: Wenn die Religion etwas Weltfremdes wäre, gäbe es keine Konflikte zwischen Religion und Politik. Das Problem taucht in dem Moment auf, in dem die Religion sagt, dass Gott Mensch geworden ist und in die menschliche Geschichte eingetaucht ist … Das Problem verschärft sich noch, wenn die Religion sagt, dass der Mensch Kind Gottes ist und niemandes Sklave sein kann … die Religion kann nicht „neutral“ bleiben. Am 22.3.1980 wurde er wegen seiner Kritik am politischen System entführt, gefoltert und erschossen. Er hatte nichts anderes getan, als Gottes Wort nachgesprochen.
Ein Wort – wenn es nicht meint, was es sagt, was sollen wir dann damit? Christus sagt zu dir und mir: ich bin auf deiner Seite, ja ich schlüpfe in deine Haut, damit du wieder neu spürst, welche Würde du hast. Feiern wir diese wunderschönen Tage und stärken wir uns. Sein Wort möchte noch so viel bewirken – auch durch uns. Gerade in diesen Tagen, in denen Furchtbares geschehen ist und nun versucht wird, Hass zu säen. Ohne IHN wäre es hoffnungslos!
Amen
Unseren Herrn Jesus Christus, das Ewige Wort, das uns trägt und hält, bitten wir:
- Für alle Christen, dass wir das Licht Deiner Gegenwart in unserer Welt verbreiten können, und so denen neue Hoffnung schenken, deren Leben von Finsternis geprägt ist.
(Christus, höre uns - oder: gesungener Ruf) - Du wurdest in Einfachheit und Armut geboren. Wir bitten darum, dass gerade die Armen auch durch uns wieder Deine Nähe und Begleitung erfahren und Dir so neu vertrauen können.
- Für alle, die unter Krieg und Verfolgung leiden und sich nach Frieden sehnen; für die, die auch bei uns unter materieller Not leiden und für all die, die heute in besonderer Weise ihre Dunkelheiten und Einsamkeit spüren. Wir gedenken auch der Opfer und ihrer Angehörigen von Magdeburg: Lass sie Deine Nähe erfahren.
- Für all die, die in diesen Tagen in Krankenhäusern, Pflegeheimen, sozialen Einrichtungen und Gefängnissen Dienst tun: schenke Du ihnen die Kraft, die sie gerade jetzt brauchen.
- Wir bitten Dich für alle Menschen, denen wir uns heute auf besondere Weise verbunden fühlen, für die Toten, die wir schmerzlich vermissen und alle Verstorbenen (Kurze Stille)
In der Freude über Deine Nähe loben und preisen wir Dich mit dem Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen