Leiten und dienen – oder: ein neues Miteinander
Die Texte am 29. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen () und das Evangelium (), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
dem heutigen Evangelium geht etwas ganz Wesentliches voraus, das wir im Kopf haben müssen, wenn wir den Text verstehen wollen: Direkt vorher wird erzählt, wie Jesus mit Seinen Jüngern nach Jerusalem unterwegs ist. Die Menschen wundern sich darüber, denn es ist klar, dass die Situation nicht ganz ungefährlich ist. Dementsprechend haben die Jünger Angst. Gleichsam als Bestätigung betont Jesus nun schon zum dritten Mal: Er wird ausgeliefert, verurteilt und getötet werden – aber am dritten Tag auferstehen!
Bei den vorherigen Malen wunderten sich die Jünger, wollten Ihn von Seinem Weg abbringen oder sie verdrängten einfach in ihren Gesprächen das Gehörte. Die Evangelisten Markus und Matthäus fügen nun direkt an, wie die beiden Jünger Johannes und Jakobus Jesus um einen besonderen Platz in Seinem Reich bitten. Was bedeutet das?
Kann es sein, dass die Jünger gelernt haben? Ja, Jesus wird auf ein Leiden zugehen und wer bei Ihm bleibt, muss das wissen, muss auch dazu bereit sein. Dazu wären sie ggf. auch bereit – denn: es geht ja danach weiter! Jesus spricht von Auferstehung und sicher können sie das nicht so ganz verstehen – wie auch?! Sie verstehen aber: Jesus wird durch das Leiden und durch den Tod nicht aufgehalten. Dass ER über Macht verfügt, haben sie also durchaus schon verstanden. Und wenn sie schon bereit sind, die schwere Zeit mit Ihm durchzustehen, dann möchten sie auch eine Belohnung: einen besonderen Platz in der neuen Ordnung, die mit Ihm beginnen wird – zumindest stellen sie sich das so vor. Die anderen Jünger denken wohl ähnlich, nur sind Jakobus und Johannes schneller – nur so wird der Ärger der anderen verständlich. Doch Jesus möchte Seinen Jüngern – uns – verständlich machen, dass es IHM um etwas anderes geht, um etwas ganz anderes.
Aber wie sollen wir uns das vorstellen: dass der Erste der Diener aller sein soll? Natürlich: Im idealen Fall dient der Herrschende wirklich denen, denen sein Dienst gilt – wenn er denn so verstanden wird. Aber wie ein „Sklave“ wird er doch nie sein. Das ist doch absurd!
Genau so verstehe ich das auch. Es ist absurd, weil es Jesus nicht um ein Reich, eine Partei, eine Herrschaftsform geht. Es geht Ihm um ein ganz anderes Miteinander. Es geht Ihm um das Miteinander von Brüdern und Schwestern, die gemeinsam im Haus des Vaters sind und wo jeder das seine für das Wohl aller einbringt. Da geht es nicht darum, wer das Kommando hat.
Ist das realistisch? Ja und nein!
Nein: Unser Leben wird davon bestimmt, dass wir „oben“ und „unten“ haben. Das ist anders gar nicht denkbar. Schon die ersten Christen hatten eine gewisse Ordnung durch Leitung, die das Ganze zusammen hielt – wir können das in den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen nachlesen. Und schon in diesen ersten Jahren der jungen Gemeinden gab es Konflikte, die nur durch eine starke, eine leitende Hand gelöst werden konnten. Doch dabei war immer klar: Lasst uns auf den Herrn hören; lasst uns Seinen Willen herausfinden. Gerade der, der leitete, hatte diese Aufgabe. Da war die junge Gemeinde noch stark mit den Ursprüngen verbunden und dem Vorbild Jesu: Es ging und es geht um den Willen des Vaters, nicht um unsere Einfälle und Ideen, so schön sie uns auch erscheinen möchten. Das muss das Erste sein und hier muss der, der leitet, tatsächlich dienen und den anderen das Wort Gottes wie ein Sklave hinhalten und anbieten.
Damit sind wir beim Ja: Christliches Leben realisiert sich immer in kleinen Gruppen und Kreisen. Dafür ist eine Pfarrei, gar die Kirche, wie wir sie kennen, viel zu groß. Denn es geht um eine Lebensgemeinschaft, die im Sinne Jesu und in Seinem Geist das Leben miteinander teilt. Hier gilt nun wirklich ein anderes Miteinander und wenn wir einmal eine solche Gemeinschaft kennenlernen, erkennen wir sofort den Unterschied zu anderen Gruppen. Und genau so soll es sein.
Ist dieses Evangelium nicht hochaktuell für die Fragen, die wir gerade hier bei uns haben? Ich möchte angesichts der derzeitigen Diskussionen in der deutschen Kirche nicht ins Detail gehen, nur so viel: Mir geht das Ganze zu wenig in die Tiefe. Es geht nicht um Macht oder Gewaltenteilung, es geht um eine völlige Erneuerung von uns allen, eine Wiederentdeckung des Christseins. Das erkenne ich bisher nicht wieder.
Der Anspruch Jesu ist radikal und genauso müssen wir wieder an die Wurzel gehen.
Amen.
Zu unserem Herrn Jesus Christus, der uns den Weg des Glaubens führen will, bitten wir:
- Wir bitten Dich um den Mut, ein neues Miteinander in Deinem Sinne zu entdecken und zu leben: In unseren Familien und Beziehungen, in unseren Gemeinden und der Gesellschaft.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten Dich in diesen Tagen für Papst Franziskus und die in Rom versammelte Synode: Hilf ihnen, aus der Freude über Deine Frohe Botschaft Dein Wort heute zu verkünden.
- Wir bitten für alle, denen Macht und Verantwortung übertragen wurde: Hilf ihnen, dem Frieden, der Versöhnung und dem Wohl der ihnen Anvertrauten zu dienen.
- Schenke denen, die in einer Lebenskrise stecken, die durch Krankheit und Not niedergedrückt sind, die unter Einsamkeit leiden, neue Zuversicht und Lebensmut.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, was Du uns allen verheißt.
Dir, dem Vater, sei Dank, der Du uns mit Deinem Sohn alles schenkst, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.