Leben wir, so leben wir dem Herrn – oder: die Angst in unserer Zeit


Liebe Schwestern und Brüder,
vor einigen Jahren wurde im Blick auf den aktuellen Trend in unserer Bestattungskultur von kirchlicher Seite stark kritisiert, dass gerade in Großstädten die Form der anonymen Beerdigung immer häufiger gewählt werde: Menschen wollen es ihren Angehörigen nicht mehr zumuten, ein Grab zu pflegen, gerade wenn diese nicht mehr am gleichen Ort leben. Ähnliches ist im Blick auf die Friedwälder zu sagen: einerseits wird ein gewisser „Friede im Wald“, in der Natur gesucht, andererseits ist damit aber auch die Frage nach der Grabpflege beantwortet: das macht dann „Mutter Natur“.
Was in diesem Kontext immer wieder erwähnt, oft aber nicht vertieft wurde: der Umgang mit dem Tod – oder gerade: seine Verdrängung!
- Wir feiern Allerseelen – da geht es um den Tod, aber eben nicht als Letztes, sondern um ihn als „Bruder Tod“, wie ihn der hl. Franziskus nannte. Also kein Feind, sondern der, der das Leben rundet, es vollendet.
Ich betone dies so, weil sich nicht nur in mir der Eindruck verfestigt hat, was die Zeit der Corona-Pandemie offenbart: eine tiefe Angst vor dem Tod! Ja es scheint mir, als ob Menschen durch die Erkenntnis, sterben zu müssen, persönlich verletzt werden! Der Tod ist plötzlich sehr real und eben nicht am Ende eines langen Lebens angesiedelt - oder Frucht eines Unfalls oder einer seltenen Erkrankung, Ereignissen also, die als äußerst selten angesehen werden. Der Tod war eigentlich immer sehr real – aber er konnte und wurde verdrängt. Das geht jetzt nicht mehr. Und das hat Folgen!
- Für mich ist das eine Folge von Religionslosigkeit. Wir selbst haben gar nicht gemerkt, dass es ein Unterschied ist, ob man einer Kirche angehört oder überdies religiös ist. Re-ligio – das heißt „wieder festgemacht“: Der Mensch ist im Wechsel und wilden Spiel des Lebens festgemacht, er hat Halt. Was das heißt, ist für mich auch in den Texten der Hl. Schrift zu hören, die wir hörten – und die nicht nur denen Trost und Hilfe sein sollen, die einen lieben Angehörigen vermissen und betrauern. Ganz und gar nicht: gerade jetzt, zu dieser Zeit, ist es wichtig zu wissen, was uns unser Glaube sagt, um dann langsam zu lernen, darauf zu vertrauen.
- „Leben wir, so leben wir dem Herrn“, sagt Paulus im Römerbrief (Röm 14,8). Das heißt: Ich bin in dieses Leben gerufen worden, weil der Herr, Gott, es wollte. Ich bin kein „Zufallsprodukt“. Mehr noch: Mein Dasein hier ist ein Mitwirken am Werk Gottes. Ich habe eine Sendung, ein Auftrag, den ich – und so nur ich – mit den mir von Gott gegebenen Gaben erfülle, mit meinen Charismen. Wenn dieser Auftrag erfüllt ist – und das ist nicht an ein Lebensalter gebunden – geht es „heim“, denn, so fährt Paulus fort: „sterben wir, so sterben wir dem Herrn!“ Für ihn ist ganz klar: „Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn!“. Das ist meine, das ist unsere Wirklichkeit. Ich werde an irgendetwas sterben – an einer Krankheit, durch einen Unfall, durch Corona – aber dies geschieht immer innerhalb der Hand Gottes! Das lässt mich so leben, dass ich der Angst, der Enge, keinen Raum gebe, sondern ein Vertrauen vertiefen möchte.
- Für mich ist diese Pandemie-Krise eine Zeit, die uns neu zu Missionaren machen kann: Worauf kommt es an? Worin besteht der Sinn des Lebens? Wozu sind wir aufgerufen? Diese Fragen treiben unsere Zeitgenossen um – und Christen können dazu etwas sagen!
Im Evangelium war von den kluge und törichten Jungfrauen die Rede (Mt 25): Genug Öl zu haben, genug Vertrauen, um dann, wenn es darauf ankommt, aushalten zu können. Religiös zu sein ist keine Nebensache, auch wenn im gesellschaftlichen Diskurs Religion eine Privatsache ist. Anderen dabei zu helfen, dass sie das Fundament ihres Lebens tief gründen können, ist die Einladung dieser Zeit. Dabei kommt es aber darauf an: Glaube ich selbst daran? Konnte die Botschaft des Evangeliums in mir tiefe Wurzeln schlagen, die auch eine Dürre überstehen können?
Christus ehren wir nicht, indem wir hilflos über unsere Verstorbenen trauen. Wir tun es, in dem wir dafür dankbar sind, dass wir sie hatten – und dass sie uns nun in anderer Weise in ihrer Vollendung nahe sind. Denn: sie gehören weiterhin zum Herrn. So wie wir auch. In Ihm sind wir einander verbunden. Dauerhaft.
Das ist Frohe Botschaft – gerade in dieser Zeit.
Amen.
FÜRBITTEN ALLERSEELEN
Herr Jesus Christus, Du bist die Auferstehung und das Leben. Wer an Dich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. So bitten wir:
- Für unsere Lieben, die uns der Tod genommen hat und die wir vermissen: schenke ihnen bei Dir die Erfüllung ihrer Sehnsucht. Du Gott der Liebenden …
- Für all die, die bisher durch die Corona-Pandemie gestorben sind. Wir denken dabei besonders derer, die isoliert und getrennt von
ihren Angehörigen sterben mussten. Du Gott der Vereinsamten…
- Für diejenigen, die Krieg und Gewalt aus dem Leben gerissen haben: Lass sie bei Dir in Frieden ruhen. Du Gott der Gequälten …
- Für die verstorbenen Seelsorger unserer Gemeinde und für alle, die sich für das Wohl der Gemeinde eingesetzt haben. Du Gott Deiner Jünger …
- Für diejenigen, die sich den Tod wünschen, da sie in ihrem Leben keinen Sinn mehr sehen: schenke ihnen neue Kraft. Du Gott der Mutlosen …
Gott, Vater im Himmel, auf dich schauen wir heute in der Hoffnung, dass unsere Verstorbenen bei Dir Heimat finden und dass auch wir einst teilnehmen dürfen am Gastmahl des ewigen Lebens, in Gemeinschaft mit Ihm, Deinem Sohn und dem Heiligen Geist für alle Ewigkeit. Amen.
