Krieg und Unheil – oder: Die Welt aus der Sicht des Christen


- Krieg und Unheil – oder: Die Welt aus der Sicht des Christen
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore zum 2. Fastensonntag zum Berg Tabor zum Download
Die Texte des 2. Fastensonntags des Lesejahres C der Lesungen (Gen 15, 5–12.17–18 und Phil 3, 17 – 4, 1) und des Evangeliums (Lk 9, 28b–36) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ja, das wäre jetzt willkommen: Auf einen Berg zu steigen! Fort aus den Niederungen, weg von allem Bedrängendem, das uns zurzeit fortlaufend beschäftigt, ja bedroht: Corona-Pandemie, Krieg und Kriegsgefahr, steigende Preise, Flüchtlinge … einfach mal fort, die Ruhe wiederfinden, den Abstand, den es braucht, um wieder klar denken und ruhig atmen zu können.
Tun wir’s. Lassen wir uns jetzt von Jesus mitnehmen auf den Berg der Verklärung. Was begegnet uns da?
- Der Tradition nach ist der Berg Tabor in Galiläa der Ort, an den die Verklärung stattgefunden haben soll. Ein hoher, weithin sichtbarer Berg, umgeben von einer Ebene. Von dort, in 500 Meter Höhe hat man einen wunderbaren Blick nach allen Seiten. Der Tabor erhebt sich über die sogenannte Jezreel-Ebene: Sie ist eine Verbindung zwischen Nord und Süd und über Jahrtausende bis in die Gegenwart hinein sind unterschiedliche Kriegsheere hier durchgezogen, Eroberungen oder Niederlagen entgegen. Soviel Blut ist damit verbunden, dass der Evangelist Johannes in seiner Apokalypse die endzeitliche Schlacht nach „Armageddon“ verlegt, benannt nach Megiddo, einer Festung, die diesen Landstrich überwachte.
Der Tabor: Der Berg führt uns nicht einfach in luftige Höhen. Er lässt uns weit schauen in die blutige Geschichte menschlicher Auseinandersetzungen. Das ist furchtbar und wirklich zum Fürchten. Irgendwie so – hoffnungslos! Immer wieder geschieht es, dass Menschen gegeneinander in den Krieg ziehen. Auch das scheint das in allen Zeiten Verbindende zu sein. Von diesem Berg aus können wir eine Wirklichkeit sehen, die zu uns gehört. Ich sehe das Brutale, Lebensfeindliche, das, was immer wieder aufbricht und unser Miteinander nicht einfach nur stört, sondern zerstört. Wer dort oben in der Pilgerkirche Gottesdienst feiert, der ist eingeladen, all das in den Blick zu nehmen, was auch in uns böse ist – und wofür es keine vernünftige Erklärung gibt!
- Auf dem Tabor bekommen die Jünger und bekommen wir keine Erklärung geliefert, sondern erleben „Verklärung“: Der Rabbi Jesus ist nicht einfach nur ein moralischer Kompass. ER steht für Gottes Präsenz in dieser Welt, die so ist, wie sie ist. Wer mit Jesus unterwegs ist, wird nicht zur Weltflucht eingeladen. Im Gegenteil: Er sieht deutlich und klarer auch das Menschenleid. Ein Leid, dem Gott sich nicht entzieht. In dem ER präsent ist. Dem ER sich aussetzt. Dem gegenüber sich auch ein Jünger nicht verschließen kann, wenn er Ihm denn folgen will. Das Leid ist unsere Anfrage an Gott – und Sein Leiden ist Seine Antwort an uns! Er beseitigt es nicht, auch wenn wir uns das so sehr wünschten. ER treibt es sogar auf die Spitze, indem ER, der Unschuldige, getötet wird.
Das ist doch zum Verzweifeln! Ja, deswegen wird mein Glaube hier herausgefordert! Der Glaube sagt mir, dass das Leid nicht das letzte Wort hat, weder jetzt noch am Ende. Ohne diesen Glauben wäre ich verzweifelt. Weil da jede Erklärung am Ende ist.
- Aber muss es denn immer so weit kommen? Können wir uns denn nur damit trösten, dass ganz am Ende alles gut wird? Keineswegs! Vor dem Abstieg vom Tabor hören die Jünger: „Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“ (Lk 9, 35). Auf Ihn, auf Sein Wort. Dieses Wort kann ich in der Heiligen Schrift lesen und im persönlichen Gebet hören! Dieses Wort ist klar. Und ja: Wer es beherzigt, befolgt, sein Leben danach ausrichtet, dem werden deswegen immer wieder auch Nachteile begegnen. Denn: Der Berg, den Jesus vom Tabor aus sieht, ist Golgatha! Beim Evangelisten Markus steht die Taborerzählung in der Mitte seines Evangeliums: von dort aus erklärt sich alles, was wir von Jesus wissen können und müssen! So bin ich eingeladen, immer wieder an den Tabor zu denken und daran, wer sich da zeigt. Das kann und soll mir dann immer wieder Kraft geben, gerade wenn die Enttäuschung wieder einmal überhandnehmen will. Auf lange Sicht siegen das Leben und die Versöhnung. Unser Wirken gerade jetzt als Christen in dieser Welt zeigt sich gerade darin, dass wir dem dienen. In aller Radikalität: Damit wir durchscheinend werden für IHN, für das Leben, für die Hoffnung.
Ja, wir brauchen als Christen jetzt den Aufstieg, den Abstand von allem, damit wir Zeugen der Hoffnung sein können, die die Welt jetzt so sehr benötigt.
Amen.
(Das oben verwendete Bild vom Tabor stammt aus Wikimedia Commons vom Nutzer Giladtop und steht unter der Creative CommonsAttribution-Share Alike 4.0 International Lizenz)
Jesus, auf dessen Wort wir hören sollen, bitten wir:
- Du hast Deine Jünger auf den Berg Tabor genommen und zeigtest Dich ihnen als der, der Du bist: Lass uns Christen gerade jetzt in dieser für uns alle so bedrängenden Zeit Zeugen der Hoffnung und Zuversicht sein, die die Welt so sehr braucht.
(Christus, höre uns – Christus erhöre uns) - Deine Jünger erkannten in Dir den Sohn Gottes, der unser Bruder geworden ist. Wir bitten Dich für alle verantwortlichen Kriegs- und Konfliktparteien: Lass sie begreifen, wie heilig jedes einzelne Menschenleben ist und schenke ihnen die Bereitschaft, sich dem Frieden und der Versöhnung zu öffnen.
- Der Himmlische Vater lädt uns ein, auf Dich und Dein Wort zu hören: Lass uns gerade jetzt denen nahe sein, die durch Flucht und Zerstörung ihre Heimat verlassen mussten und ihnen so Deine Sorge und Gegenwart bezeugen.
- Wir vertrauen Dir alle Kranken und Verzweifelten an; alle, die ihnen beistehen und Trost spenden; alle Sterbenden und ihre Begleiter und bitten für unsere Verstorbenen um das Leben bei Dir.
Dir vertrauen wir uns an, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.
