Johannisweinsegnung in der Basilika
Humorvoll-Besinnliche Gedanken beim Festgottesdienst zur Johannisweinsegnung in der Mittelheimer Basilika
Oestrich-Winkel. (sf) „Johannes stritt mit den Bewohnern von Ephesus, was der rechte Glaube sei. Er ließ sich vom heidnischen Oberpriester einen Kelch mit vergiftetem Wein geben, machte das Kreuzzeichen über dem Kelch, das Gift entwich als Schlange und Johannes trank, ohne zu sterben. Zwar eine Legende, aber eine schöne! Daher ist der Kelch mit einer Schlange eines der Attribute des Johannes. In der Pfarrkirche St. Walburga in Winkel kann man die Figur des Heiligen Johannes mit Kelch und der daraus entweichenden Schlange sich ansehen, wenn man sie denn auf Anhieb findet: Sie steht am Beginn des Chorraumes und ist vom Kirchenschiff aus nur schwer zu sehen. Nach einem alten Volksglauben hat der heute hier gesegnete Johanneswein ganz besondere Kräfte. Er stärkt die Glieder, bewahrt vor der Gicht und fördert außerdem das Wachstum der Kinder. Auch bei Gerichtsverhandlungen wurde den Angeklagten Wein eingeschenkt, damit diese daraufhin die Wahrheit sagen sollen, ihnen wurde quasi „reiner Wein“ eingeschenkt. Und wenn die Christen in der Eucharistiefeier, in Form von Wein und Brot, das Blut und den Leib Christi zu sich nehmen, entweicht alles Gift aus der Seele“, so Pfarrer Suresh am vergangenen Freitag in seiner Festpredigt zur Johannisweinsegnung. Aber die Gäste des heiter-besinnlichen Gottesdienstes erfuhren an diesem Abend noch viel mehr über die Traditionen der Johannisweinweihe. Dafür sorgte Lothar Meckel, der in der Festpredigt mit Pfarrer Suresh eine Art „Zwiegespräch“ über die weltlichen und geistlichen Gebräuche dieses Festes führte: „Im Rheingau sagt man deshalb ja auch: Besoffene un kloane Kinner sache die Wahrheit. Apropos Kinner: auch diese durften am „Gehannstag“, am Johannistag, mit einigen Tropfen des gesegneten Weins sich die „Zunge nass machen“. Bei einer Hochzeit wurde er dem jungvermählten Ehepaar für eine glückliche Ehe kredenzt, Kranken zur Gesundung verabreicht und als Abschiedstrunk für Reisende getrunken. Deshalb wird dieser Abschiedstrunk auch als „Johannessegen" bezeichnet und Sterbenden und zum Tode Verurteilten als letzter Trunk gereicht. Aber ganz ehrlich: Oft war der Segen des Johannisweins auch zweitrangig, statt der Wundertätigkeit ging es um die rein weltliche Wirkung des Weins: „Nur in besonders frommen Familien wurde er etwa als Segen ringender Freundschaftstrunk empfunden, sonst bot er willkommene Gelegenheit zu lustigen Gelagen", zitierte Hermann Meckel. Und auch Pfarrer Suresh wusste: „Einige konfessionelle Polemiken gegen die allzu trinkfreudigen Katholiken sind überliefert, wobei Martin Luther selbst seinen Gästen beim Abschied gern Johanniswein reichte - doch ebenso wortgewaltige katholische Verteidigungsschriften fehlen. Weil zu viel Wahres an den Angriffen war?“.
Meckel teilte mit, dass auf insgesamt 979 Stellen in der Bibel direkt oder indirekt auf Wein und Weinbau Bezug genommen wird: „Angeblich hat Pfarrer Jörg sie einst gezählt: Weinberg kommt über 90 Mal, Weinrebe über 60 mal, und Weinpresse kommt 15 mal vor!“. Obwohl Bier damals ein ebenfalls weit verbreitetes Getränk gewesen sei, hatte es nicht denselben hohen Stellenwert. Manche lesen die Bibelstelle vom Weinstock und den Reben mit Angst. Denn es wird hier auch davon gesprochen, dass es Reben gibt, die keine Frucht bringen und deshalb abgeschnitten und verbrannt werden. Doch das ist nicht der Fokus. Denn Voraussetzung zum Frucht-bringen ist, dass Reben rein sind, wie sich Jesus ausdrückt, und er sagt seinen Jüngern zu, dass sie aufgrund seines Wortes rein sind.“ Schon in der frühen Kirche galt das schriftliche Werk des Evangelisten Johannes, dass die Liebe als „kostbaren Wein“ bezeichnet. Seine Worte: „Ein neues Gebot gebe ich euch', sagt Jesus im vierten Evangelium: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“. Diese Botschaft solle nicht nur verstandesgemäß erfasst werden, sondern mehr noch den ganzen Menschen erfüllen und erfreuen - so wie ein guter Wein den Menschen als Getränk erfülle und erfreue.
Auch an einen weiteren Brauch im Rheingau erinnerten die beiden Festredner: „Die Winzer haben die Flaschen mit dem gesegneten neuen Jahrgangswein nur locker verschlossen, und ihn nachher auf die zum Teil noch gärenden, neuen Weine in den Fässern verteilt, um sie vor „Essigstich, Böckser und Moder“ zu behüten!“.
Und auch für die Winzer und ihre Arbeit erbaten die Gläubigen im Rahmen des feierlichen Gottesdienstes zum Johannistag und zur Weinweihe deshalb den Segen. In Gedenken an die Legende um den vergiften Wein und das Heil durch den Segen hatte man schon im Mittelalter am Tag des Heiligen Johannes einige Flaschen Wein von Geistlichen segnen lassen und für besonders festliche Anlässe wie Hochzeiten, Geburten und Jubiläen aufgehoben. Aber auch bei Krankheiten, in Kriegszeiten, Armut und Not war es Brauch, ein Glas gesegneten Johannisweins zu trinken, um Unheil und Krankheit abzuwenden, erläuterte Pfarrer Suresh, der voller Freude den Festgottesdienst zelebriert hatte.
Nach dem Krieg war der Brauch zunächst in Vergessenheit geraten. Erst Ende der 80er Jahre hatten Mitglieder des Winkeler und Mittelheimer Weinbauvereines sich an die schöne Tradition der Johannisweinsegnung zurückerinnert und den Brauch wieder ins Leben gerufen, mittlerweile organisiert der Förderkreis der Mittelheimer Basilika die Weinsegnung in Eigenregie und will damit den Brauch auch weiter aufrechterhalten. Denn längst ist der festliche Gottesdienst in der Mittelheimer Basilika nach Weihnachten und die traditionelle Weinsegnung ein feierliches Ereignis, das auch weiter fortbestehen soll.
Auch dieses Jahr waren am "Winterjohannis" zum festlichen Gottesdienst und der Weinsegnung in der Mittelheimer Basilika viele Gäste gekommen. Die musikalische Umrahmung der diesjährigen Segnung lag in den Händen des Erbacher Organisten Peter Moussong, der mit klassischen Weihnachtsliedern für eine besonders schöne Stimmung in der Mittelheimer Kirche sorgte.
Rund zwei Dutzend Flaschen Wein segnete Pfarrer Suresh im Rahmen des Festgottesdienstes. Direkt im Anschluss an die feierliche Segnung wurde auch Wein ausgeschenkt. Und wie schon in den vergangenen Jahren wurde die Einladung zum gemeinsamen Umtrunk von den Besuchern des Gottesdienstes gerne angenommen. Im Seitenschiff der historischen Mittelheimer Basilika, wo auch die ganz aus Weinreben gebaute Krippe wieder viele begeisterte Blicke auf sich zog, wurde der gesegnete Johanniswein, den die Winkeler und Mittelheimer Winzer gestiftet hatten, nach dem Gottesdienst ausgeschenkt. Gegen eine Spende zugunsten des Freundeskreises Basilika konnten Besucher auch eine Flasche mit nach Hause nehmen. Mit dem Johanniswein werde in manchen Familien an Silvester nämlich auch auf ein gesundes neues Jahr angestoßen.