Gott hat mir das Ohr geöffnet


Die Texte zu Palmsonntag des Lesejahres A, die Lesungen (Jes 50, 4–7 und Phil 2, 6–11) und die Matthäuspassion (Mt 26, 14 – 27, 66), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron.
Liebe Schwestern und Brüder,
„Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet“, so heißt es in der Lesung aus Jesaja. Ein schönes Bild, poetisch. Aber hören wir richtig hin, wie es weitergeht: „Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück“. Statt „sich wehren“ kann auch „widerspenstig-sein“ übersetzt werden. Warum sollte ich denn auch wehren und widerspenstig sein? Was lässt Gott mich denn hören? Offensichtich keine Schalmeienklänge!
Denn: Das Hören hat Konsequenzen: „Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen!“. Ich erhalte Schläge, weil ich auf das Wort Gottes höre?
- Die Tradition der Kirche bezieht diesen Abschnitt des Jesaja – das sogenannte „Dritte Lied vom Gottesknecht“ – auf Jesus. Und wir hören das ja auch in der Passion. Aber das ist zu wenig. Wenn ich als Gläubiger bereit sein möchte, dass Christus in mit lebt, wie es Paulus ausdrückt (vgl. Gal 2,20), dann werde ich das Schicksal Christi, das sich in Jesus zeigte, teilen! Das ist wenig attraktiv!
- Wofür wird dieser „Schüler Gottes“ denn geschlagen? Gleich am Anfang hieß es eben: „Der Herr gab mir die Zunge von Schülern, damit ich verstehe, die Müden zu stärken durch ein aufmunterndes Wort“. Die Müden stärken: Das ist doch etwas Wunderbares! Wie willkommen ist mir ein Mensch, dem das gelingt: der mich aufrichten, stärken, und ermutigen kann, wenn ich das aus welchen Gründen auch immer brauche.
- Was so sympathisch und anziehend klingt, wird in der Welt, in der wir leben und in der wir auch mitwirken, nicht unterstützt. Da gilt anderes. Schauen wir uns um und fragen wir uns selbst nach unseren eigenen Werten: Erfolg, Durchsetzungsfähigkeit, Macht, Einfluss, Aufstieg, Wohlstand … Wer nicht mitmacht und es nicht kann, ist ein Verlierer. Und auch unsere Gesellschaft hat für sie zunehmend keinen Blick mehr. Keinen Blick für die Müden – und kein Wort! Wenn ich mit meiner deutschen Kirche hadere, dann ist es, weil sie zunehmend schweigt oder als zahnloser Tiger auftritt, wenn es um Grundlegendes geht: um das Lebensrecht auch der Ungeborenen; um den Schutz der Familie; Genderideologie und die Folgen gerade auch für die Jugend; ein klares Wort zur Drogenpolitik der Regierung, vor der Fachleute der Jugendpsychiatrie warnen …
Merken wir: Wer sich hier einsetzt, engagiert, der wird Schläge einstecken. Wer in diesen Tagen mag: Ein Blick in die Umweltenzyklika „Laudato si“ von Papst Fanziskus lohnt sich; ebenso in die „Freiburger Rede“ von Papst Benedikt XVI. – beide haben dafür gerade von deutscher Seite beinahe nur Hohn und Ablehnung erfahren, auch vonseiten der Kirche!
Wenn ich höre, was Gott in Jesus Christus sagt, wenn ich mich von Ihm wirklich wecken, aufwecken lasse, dann werde ich gegen den Strom, den „Mainstream“ schwimmen müssen. Denn: nur so komme ich zur Quelle, die mir wirklich Lebenswasser bietet, das den Durst nach echtem Leben wirklich löschen kann. Darum geht es. Es geht nicht um das Leiden um des Leidens willen; nicht um den Widerspruch aus Leidenschaft zum Dissens! Es geht um das, was wirklich Leben schenkt, fördert und erhält.
Holen wir die Feier dieser Heiligen Woche aus einer Oberammergauer Passionsverzückung heraus in eine Wirklichkeit, die auf die „Schüler und Schülerinnen Gottes“ so sehnsüchtig wartet. Auf die also, denen Gott das Ohr geöffnet hat.
Amen.
Zu Jesus Christus, der in Jerusalem eingezogen ist, um uns durch Sein Leiden und Tod Leben zu schenken, bitten wir:
- „Sie, dein König kommt zu dir“ – mache Deine Kirche und alle Getauften zu glaubwürdigen Zeugen dafür, dass Du Leben in Fülle schenkst.
(Gesungen: Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung) - „Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet“ – öffne auch durch unser Zeugnis die Ohren derer, die Sehnsucht haben nach einem Leben in Fülle.
- „Doch Gott, der Herr, wird mir helfen“ – sei Du die Hilfe aller Christen, die aufgrund ihres Glaubens bedrängt und verfolgt werden. Unser Gebet verbindet sich heute im Besonderen mit den Christen im Heiligen Land.
- Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber“ – stärke alle, deren Leben von einer schweren Krankheit, einer Lebenskrise oder Trauer geprägt ist und schenke ihnen die Kraft, im Kelch des Leidens neue Kraft zu entdecken.
- „Dann hauchte er den Geist aus“ – nimm unsere Verstorbenen auf in das Reich, das Du uns allen verheißen hast.
Du bist für uns Deinen Weg bis zum Ende gegangen, damit wir das Leben haben. Dir sei Dank mit dem Vater und dem Heiligen Geist.
Amen.
