Fußwaschung – oder: lasse ich es zu, geliebt zu werden?


Die Texte am Gründonnerstag des Lesejahres C, die Lesung (Ex 12,1–8.11–14 und 1 Kor 11, 23–26) und das Evangelium (Joh 13, 1–15), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron und beim Evangelium in leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
das Johannesevangelium berichtet anders als die drei anderen Evangelien nicht von einem Letzten Abendmahl, sondern von einer Fußwaschung – und erwähnt ein Mahl beinahe nur beiläufig.
Auch sonst ist das Johannesevangelium anders als die anderen. Einerseits sind die Worte, die es wählt und Jesus in den Mund gelegt werden, nicht immer einfach zu verstehen. Auf der anderen Seite ist der Jesus bei Johannes einer, der leidenschaftlich auftritt: Mit einer Geißel aus Stricken und damit gewaltsam treibt er die Händler aus dem Tempel heraus; gegenüber der Ablehnung, die er seitens der jüdischen Autorität erfährt, stellt ER sich in den Tempel und schreit den Menschen Sein Selbstverständnis entgegen: „Wer Durst hat, komme zu mir!“ (Joh 7, 37); als Er sieht, wie Familie und Freunde über den Tod Seines Freundes Lazarus trauern, weint ER; Jesus ist zudem jemand, der Affekte, Gefühle zulässt: Am letzten gemeinsamen Abend lehnt ein Jünger an Seiner Brust von dem es heißt, er sei derjenige, den Jesus liebte!
Im heutigen Evangelium heißt es: Da ER die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte Er sie bis zur Vollendung“ (13,2), bis zum Äußersten: mehr geht nicht mehr! Und wie zeigt Er das: durch eine Fußwaschung!
Es war ein Dienst von Dienern, Sklaven. Man ließ es geschehen, es war eine Dienstleistung und demjenigen, der es tat, wurde keine große Beachtung geschenkt. Dieser Dienst wird etwas ganz anderes, wenn es jemand tut, der mir nahe steht, den ich achte: Dann wird eine Fußwaschung zu einer sehr persönlichen, ja intimen Begegnung, ja dann kommt es zu einer Begegnung! Wäre es vorher nur eine Berührung gewesen, ist es nun etwas, das unter die Haut geht! Die Jünger sind fassungslos wegen des Sklavendienstes – sind sie auch schon im Herzen berührt von dem, was ihnen Jesus damit zeigt, schenkt?
In Jesus spricht Gott zum Menschen die drei gefährlichsten Worte, die es gibt: „Ich liebe dich!“ Wenn ich dies zu einem anderen sage, dann bin ich ihm ausgeliefert: mein Leben kann eine ganz neue Fruchtbarkeit bekommen, es wird bereichert, oder ich werde bis in das Innerste erschüttert und verletzt. Gott wagt es. ER macht sich so verletzlich. Und wir Menschen, Seine Geschöpfe, haben das verstanden!
Was mit Jesus in diesen Tagen, von denen uns die Evangelien berichten, geschehen ist, ist das, was wir Menschen uns unablässig ständig antun. Aus welchem Grund auch immer hassen wir das, was wir lieben sollten. Und Jesus sagt und vor allem zeigt: „Ich liebe dich trotzdem. Ich weiß um dich, ja auch um dich, Judas, und dennoch lasse ich nicht davon ab, dich mit allem, was ich kann, zu lieben! Du bist mir wertvoll, dass selbst das Waschen deiner Füße nur ein schwacher Abglanz davon ist.“
Ja, wenn es wirklich so ist, so sein sollte, dass du mich liebst, dann möchte ich mich dem gerne als würdig erweisen, dann würde ich gerne etwas dafür tun! Petrus reagiert genau so: Erst Ablehnung, dann eigene Leistung – und schließlich: Zulassen. Mehr ist ihm nicht möglich. Schon weniger Stunden später erkennt er, wie brüchig sein eigenes Leistungsbedürfnis ist: Er verleugnet DEN, der ihm näher kam als irgendjemand sonst.
Warum ist Gott in Jesus Mensch geworden? Bei Johannes steht es schon im ersten Kapitel: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (1, 29). In Jesus möchte Gott alles wegnehmen, was unser wahres Menschsein blockiert, entstellt, behindert. ER möchte uns zu unserer wahren Identität verhelfen, zu dem einmaligen Gesicht, zu der einmaligen Person, die jeder und jede von uns ist. Und für Gott ist jeder von uns Wert, geliebt zu sein. Jeder. Jede.
Wie unvernünftig ist es, sich dagegen zu wehren, sich dagegen zu entscheiden. Aber so sind wir – das meint der Begriff „Erbsünde“.
Jesus wäscht heute wieder sichtbar unter uns Füße – und diejenigen, die es erfahren, tun es stellvertretend für uns alle.
„Ich liebe dich!“ – das steht über, unter, vor und hinter meinem Leben. Das ist meine Wahrheit. Wenn ich sie endlich einmal wirklich begriffen und angenommen habe, kann ich nicht anders, als so handeln, wie Er es tut. Heute wieder an mir.
Amen
Jesus Christus liebt uns bis zur Vollendung. So dürfen wir bitten:
- Schenke allen Christen durch die Feier dieser Tage die Bereitschaft und die Kraft, weltweit Deine Botschaft zu verkünden: Dass der Vater uns liebt, die Schuld vergibst, jeden gerade in seiner Einmaligkeit annimmt, uns zu einer Freundschaft einlädt, die uns so heilen möchte.
- Wir bitten in diesen Tagen um den Frieden in dieser so unfriedlichen Welt: in der Ukraine, dem Heiligen Land, in vielen Ländern Afrikas. Wir bitten für alle, die sich für Versöhnung einsetzen; für alle, die den Flüchtlingen nahe sind; für alle an Körper und Seele Verletzten.
- Wir bitten Dich für Deine Kirche in Ost und West, die in diesem Jahr gemeinsam Ostern feiert: Lass uns danach trachten, das Gemeinsame zu fördern und so der Welt ein Zeichen der Einheit und der Verständigung geben.
- Für alle Priester Deiner Kirche, die am heutigen Tag das Geschenk Ihrer Berufung feiern: Lass sie in Dankbarkeit in Deinem Dienst treu bleiben und hilf ihnen, den Gläubigen Deine Nähe glaubhaft zu vermitteln.
- Wir bitten dich für unsere Verstorbenen, die wir schmerzlich vermissen und die, an die keiner mehr denkt: Vollende sie bei Dir und lass sie teilhaben an der ewigen Mahlgemeinschaft in Deinem Reich.
Allmächtiger und barmherziger Vater, in Deinem Sohn offenbarst Du Deine große Liebe zu uns. Dir sei Dank, der Du mit ihm und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.
