Für wen halten wir Jesus? – oder: um sich selbst kreisen


- Für wen halten wir Jesus? – oder: um sich selbst kreisen
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore über die Selbstfindung am 24. Sonntag im Jahreskreis zum Download
Die Texte zum 24. Sonntag im Jahreskreis wie der Lesungen (Jes 50, 5–9a und Jak 2, 14–18) und des Evangeliums (Mk 8, 27–35) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.

Liebe Schwestern und Brüder,
„für wen halten mich die anderen?“
Diese Frage hat sich wohl jeder schon einmal gestellt, in ganz unterschiedlichen Situationen und Lebensphasen:
Bei der Selbstfindung, der Standortbestimmung, bei Streit und Auseinandersetzung.
„Was denken die über mich?“
Lasse ich mich davon beeinflussen?
Weiß ich selbst, wer ich bin und handle entsprechend?
Die Beantwortung oder Nichtbeantwortung dieser Frage hat Konsequenzen.
Wir sind hier im Gottesdienst und es geht jetzt nicht um ein Selbstfindungsseminar.
Deshalb möchte ich die Frage Jesu an uns alle weitergeben: Für wen halten wir Ihn?
Das ist nichts Beiläufiges.
Die Antwort hat Konsequenzen!
- Die Antworten, die die Menschen zur Zeit Jesu geben, zeigen, was sie erwarteten: Einen Propheten wie Elija, der machtvoll alle Ungläubigen beseitigt; einen Johannes den Täufer, der die Religion säubert; und einen Messias, der sich als Priesterkönig auf den Thron setzt – das war wohl nicht nur die Hoffnung der Jünger.
Menschen laufen Jesus nach, weil sie Erwartungen an Ihn haben. Sie haben für sich die Frage beantwortet, wer Er ist – und das hat Konsequenzen: für sie selber und für Jesus. Da sie an ihren Vorstellungen festhalten, werden nicht wenige von ihnen weglaufen, wenn ER nicht so denkt, wie es ihnen passt – Joh 6! – oder werden Ihn nötigen, ihnen ein politisches Amt zu verleihen; Judas schließlich will Ihn zwingen, endlich der zu sein, für den er Ihn hält!
- Ist das heute so anders? Für wen halten die Menschen, für wen halten die Christen Jesus? Gottes Sohn – Vorbild – ein guter Mensch – ein spiritueller Meister. Die Liste lässt sich sicher noch vervollständigen und aktualisieren: ein echter Pazifist; Feminist; Vorreiter der Genderideologie …
All das bedeutet, dass Erwartungen bestehen – Erwartungen, die enttäuscht werden! Diese Tage sagte mir ein junger Mann, dass er aus dem Glauben etwas herausgewachsen sei. Er wäre naturwissenschaftlich interessiert und auf Bitten und Gebete hätte er keine Antwort erfahren. Das ist sicher keine Einzelmeinung. Wie viele Menschen sind enttäuscht, da Gott ihnen trotz Gebeten und Bitten nicht geholfen hat. Er muss doch helfen – das erwarten wir von Ihm, das halten wir von Ihm und das hat Konsequenzen.
- Es hat Konsequenzen, wenn wir nicht hören, was Jesus über sich selbst sagt, für wen Er sich selbst hält. Das hören wir im zweiten Teil des heutigen Evangeliums. Die Jünger sind davon nicht begeistert! Das entspricht nicht ihrem Bild von Jesus. Die Evangelien berichten, wie Jesus dreimal versucht, sich den Jüngern zu erklären – und sie nicht verstehen: Er müsse leiden, werde verworfen und getötet werden. Wer will das hören? Wer will das über einen Menschen hören, dem wir uns verbunden fühlen?
- Sucht Jesus das Leiden? Nein! Er will den Willen des Vaters erfüllen. Und den hinterfragt Er nicht, denn Er weiß, dass der Vater gut ist. Komme, was da wolle! Auch wenn Er ihn nicht versteht – auch wenn wir ihn nicht verstehen!
Jesus lädt ein zu dieser Nachfolge. Das gelingt aber nur, wenn wir wissen, was Er will. Jesus nennt das „Kreuz tragen“. Das fällt uns schwer, weil wir gelernt haben, um uns selbst zu kreisen, uns selbst zu „verwirklichen“. Er will uns von diesem Egoismus befreien. Er will uns zum großen Sprung verhelfen, der darin besteht, das zu verwirklichen, wozu ich, wozu wir geschaffen wurden. Das geht nur, wenn wir dem Vater ganz vertrauen –so wie ER. Auch und gerade dann, wenn es dunkel wird …
Dagegen meldet sich Widerspruch – wie bei Petrus. Jesus hat ihn identifiziert: „Satan, hinter mich!“ 1000 gute Gründe, doch lieber das zu tun, was uns der angeblich „gesunde Menschenverstand“ sagt. Wenn wir dieser Versuchung erliegen, gehen wir viele Wege – aber nicht den Weg Jesu. Und das wäre schade. Nicht nur für uns, sondern für so viele, die mit uns leben. Es wäre schade, denn wirkliches Leben, in dem ich mich trotz aller Angst und Bedrohung geborgen fühle, finde ich nur, wenn ich – wie Jesus – dem Vater vertraue. Ganz.
Das ist Jesus, wie Er sich selbst versteht. Für wen halten wir Ihn?
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns Leben und Heil schenken möchte, bitten wir:
- Für Deine Kirche: Erneuere sie in dieser Zeit der Krise und des Vertrauensverlustes, so dass sie gestärkt und gereinigt Deinen Auftrag in dieser Welt erfüllen kann.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Für die Menschen, die schwer tragen an der Last ihres Lebens: In Ehe und Partnerschaft, in der Arbeitswelt, im menschlichen Miteinander. Zeige ihnen den Weg, den Du mit ihnen gehen willst.
- Wir bitten Dich für die, die in ihrer täglichen Arbeit dafür sorgen, dass es Menschen besser geht: In Medizin und Pflege, in Bildung und Erziehung, in Politik und Wirtschaft.
- Wir bitten Dich für die Kinder, die in diesen Tagen in unserer Pfarrei zur Ersten Heiligen Kommunion gehen: Lass die Freude dieser Feier in ihnen fortdauern und lass sie in Deiner Freundschaft leben.
- Wir bitten Dich auch für die, die uns verlassen und durch das Tor des Lebens gegangen sind: (Wir bitten für … ) Lass sie erfahren, was Du uns allen versprochen hast.
Durch Dich danken wir dem Vater, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und uns liebt in alle Ewigkeit,
Amen.
