"Für wen halten mich die Menschen? - oder: Welches Zeugnis geben wir?"


Liebe Schwestern und Brüder,
für wen halten die Menschen Jesus? Da gibt es unterschiedliche Antworten – schließlich erleben die Menschen Ihn immer nur punktuell, in bestimmten Situationen: Beim Predigen, beim Heilen, bei einem Wunder wie dem, das direkt vor der heutigen Erzählung berichtet wird und das wir an Fronleichnam hörten: Die wunderbare Brotvermehrung. Klar dass ER da bei den einen wie der Bußprediger Johannes erscheint, anderen wie der Wunderwirker Elija, anderen wiederum wie ein klassischer Prophet.
„Für wen haltet ihr mich?“ – die Frage, die Er an Seine Jünger richtet. „Der Gesalbte Gottes“ – dieses Bekenntnis kostet nicht viel. Lippenbekenntnisse sind schnell gemacht. Stimmen diese Bekenntnisse aber auch mit meinem, mit unserem Leben überein? Jesus legt nach: Wenn das wirklich stimmt, dann lebe auch so, nimm dein Kreuz und folge mir nach! Erst dann lebst du die Wahrheit deiner eigenen Worte.
- Für wen halten die Menschen Jesus? Nach meiner Erfahrung halten Menschen Jesus auf jeden Fall für jemand Besonderen. Seine Worte werden geschätzt, Seine Menschlichkeit wird als vorbildlich angesehen. Ob Er als Gottes Sohn oder Messias angesehen wird, steht auf einem anderen Blatt. Oder anders ausgedrückt: Wenn Menschen ein überzeugtes und authentisches Leben führen, werden andere fragen, woher er oder sie dafür die Kraft bekommen hat, welche Einflüsse prägten.
Sind wir Christen Menschen, die andere so beeindrucken, dass sie fragen: Warum bist du Christ? Woher bekommst du deine Kraft? Hilf mir, davon auch ein wenig zu leben.
- Für wen halten die Menschen Jesus? Für mich hängt das ganz eng damit zusammen, welches Zeugnis wir Christen von Jesus geben. Das ist davon nicht zu trennen. Und daher noch mal: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
Wir leben in einer Zeit, in der das Beispiel des einzelnen Christen immer wichtig wird – er kann sich nicht „hinter“ der Kirche verstecken. Diese Zeit ist vorbei – und ich sehe das sehr positiv. Mein Glaube wird wichtig – und vielleicht auch entscheidend:
In der eben erwähnten Szene der Brotvermehrung fordert Jesus Seine Jünger auf zu handeln, Verantwortung nicht abzuschieben. 5000 Menschen speisen? Das ist doch verantwortungslos! Eine solche Hoffnung dürfen wir doch noch nicht einmal wecken! Wie oft argumentieren wir so und hören solche Sätze? Da benutzen wir unsere Vernunft, um uns gegen die Angst zu wappnen: Die Angst zu versagen, zu kurz zu kommen, arm zu werden. Jesus sagt, dass wir diese Angst nicht zu haben brauchen. Und Er fordert uns auf: Vertraut. So zu vertrauen, wie Er das getan hat. Und eben nicht zu „wissen“ – das kann ich nie! Aber ich bin eingeladen, die Erfahrung zu machen, immer wieder, was passiert, wenn ich das Kreuz des Alltags auf mich nehme.
Ich gebe zu: All diese und ähnliche Überlegungen waren für mich lange nichts anders als erbauliche Gedanken, kaum mehr. Bis ich vor einigen Jahren eine italienische Ordensfrau kennenlernte, die in der Nachfolge Jesu Unglaubliches wagte: Junge abhängige Menschen zurück ins Leben zu führen – sie hatte dafür kaum etwas in der Hand, oder im Bild: nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische! Und das reichte, es reicht noch. Als ich dem begegnete, wollte ich diesen Jesus näher an mich heranlassen. „Für wen hältst Du Jesus?“ Ich brauchte meine Augen nur aufzumachen und sah es – das beeindruckt. Und viele, gerade junge Menschen, die das erleben, möchten das auch lernen: So vertrauen und mit Herz und Lippen sagen: „Du bist der Sohn Gottes!“
Ob es sich nun um diese Schwester Elvira oder Mutter Teresa von Kalkutta oder Don Bosco von Turin oder Franz von Assisi oder Katharina Kasper von Dernbach handelt – egal: Menschen, die es wagten und wagen, dem Bekenntnis der Lippen auch das Vertrauen des Herzens folgen zu lassen, werden andere zu Jesus führen.
Denn darin bestehen die eigentlichen Wunder Jesu: Dass die Herzen der Menschen verwandelt werden. Dass sie es wagen, darauf zu vertrauen, dass Er wirklich der Sohn Gottes ist.
Ob Menschen hier bei uns zum Glauben, zum Vertrauen geführt werden, hängt ganz entscheidend davon ab, für wen ich Zeugnis gebe. Für wen hältst du mich? Dieser Frage sollten wir einmal in Ruhe nachgehen.
Amen.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns einlädt, das Leben in Seiner Gemeinschaft zu wagen, bitten wir:
- Lass uns als Deine Gemeinde davon Zeugnis geben, dass die Freundschaft mit Dir von der Angst und zu wahrem Leben befreit.
Christus, höre uns – Christus, erhöre uns
- Lass uns besonderes denen Deine Freundschaft verkünden, deren Leben von Leid, Krankheit, Einsamkeit und Versagen gezeichnet ist.
- Du lädst uns ein, mit Dir dem Vater zu vertrauern: Schenk uns den Mut, mit Dir scheinbar Unmögliches zu wagen, um so zu erfahren, dass das Leben siegt.
- Wir bitten Dich auf für diejenigen, die sich aus Enttäuschung über die Kirche von Dir und Deinem Wort entfernt haben: Lass sie glaubwürdigen Zeugen begegnen, die ihr Vertrauen in Dich neu stärken können.
- Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Sicherheit und Schutz, sie brauchen Vorbilder und sie brauchen Menschen, die ihnen von Deiner Liebe erzählen. Wir bitten Dich: Lass sie auch durch unser Reden und Tun Deine Nähe erfahren und so das Vertrauen lernen.
- Du schenkst das ewige Leben: Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen, dass Du sie aufnimmst in Deine Gemeinschaft.
Denn mit Dir sind wir auf dem Weg zum Vater, der mir Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.
