Ein neuer Himmel und eine neue Erde – oder: was mich trägt


Liebe Schwestern und Brüder,
dieser Blick ging mir lange nicht mehr aus dem Sinn: der Blick einer Frau, die nach vielen Jahrzehnten des gemeinsamen Lebens nun die Beerdigung ihres Mannes regeln musste. Was für eine Traurigkeit! Aus ihrer Generation begegnen mir immer wieder Menschen, Paare, die ein wirklich langes Leben miteinander auf dem Weg waren, ja manche kannten sich schon seit der Jugend: Alles war aufeinander abgestimmt, da haben sich zwei Menschen auch aneinander die Ecken und Kanten abgeschliffen. So vieles gehörte zum gemeinsamen Alltag, wurde getragen und auch ertragen.
Wenn ich als Priester Trauernde besuche, dann geschieht das meistens, um die Beerdigung mit ihnen vorzubereiten, denn zumindest der Verstorbene gehörte ja der Kirche an – und fast immer der Ehepartner auch. Und so stelle ich im Verlaufe des Gespräches auch die Frage: „Wo ist für Sie der Verstorbene jetzt? Gibt Ihnen der Glaube Halt, Trost?“ Der Blick dieser Frau war so verloren, traurig. Da gab es nichts, was Halt bot. Irgendwann, so erzählte sie, verlor sich der Glaube während der vielen Jahre des Ehe- und Familienlebens. Und nie fand ein Gespräch darüber statt, was einmal sein wird, wenn einer der beiden zuerst geht.
Dem Blick dieser Frau bin ich im Laufe meiner Priesterjahre in vielen Gesichtern immer wieder begegnet – und immer drückte er das gleiche aus: Da ist nichts, woran sich ein Trauernder festhalten kann. Noch vor wenigen Tagen gab es eine gemeinsame Zeit. Und jetzt?
„Ich, Johannes, sah einen neuen Himmel und eine neue Erde …seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen … Er wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein, und er, Gott, wird bei ihnen sein. Der Tod wird nicht mehr sein.“ (Offb 21,1ff.). Wir hörten es eben aus dem vorletzen Kapitel des letzten Buches der Heiligen Schrift, aus der Offenbarung des Johannes: Kein Paradiesesgarten wie am Anfang der Schöpfung, sondern ein befreites, erlöstes, ein frohes Miteinander im Bild der himmlischen Stadt Jerusalem wird am Ende sein. „Unsere Heimat ist im Himmel“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Philippi (3,20). Wenn ich das weiß – und nicht nur Paulus „weiß“ das – bekommt der Tod eine ganz andere Färbung, ja er bekommt eine Richtung! Mein Wissen um diese neue Heimat im Himmel kommt aus meinem Glauben an Gott. ER hat das letzte Wort – nicht der Tod! Und Sein Wort begegnet mir in den Evangelien – es begegnet mir hier, bei der Hl. Messe. ER sagt mir und uns: Ich bin und bleibe bei dir!
Der traurig-verlorene Blick der Frau ging und geht mir nicht aus dem Sinn, und er wurde für mich zu einem Appell, einem Aufruf: Wir dürfen unseren Glauben nicht für uns behalten. Es ist ein so himmelweiter Unterschied, ob ich beim Tod eines geliebten Menschen sage, denke und fühle: Er ist weg! Oder ob ich – in aller Trauer und in allem Schmerz – weiß: Er ist angekommen!
Ich habe den Eindruck, dass wir uns hierzulande viel zu viel mit unseren kirchlichen Strukturen beschäftigen, darüber sprechen und auch streiten, was noch sein kann, was bleiben muss und was nicht mehr geht. Darüber drohen wir aber zu vergessen, wozu Christus gekommen ist und unter uns lebt: den Menschen zu sich zu rufen! Dem Menschen zu sagen: du bist angenommen, so, wie du bist, und ich lade dich zu dem Leben ein, das du mit mir und bei mir finden kannst.
Eine Hl. Messe wie diese verstehe ich als Ort der Stärkung und der Gemeinschaft: mit Gott und untereinander. Dann aber muss es hinaus gehen, hinaus zu denen, die – wie die Frau, von der ich anfangs sprach – im Laufe ihres Lebens erlebten, dass der Glaube versandet.
Natürlich: wir können den Glauben nicht „machen“, er ist Geschenk Gottes (deswegen betrachte ich so manche „Aktionen“, die wir unternehmen, um unsere Lücken zu füllen, auch sehr skeptisch). Aber wir können, wir müssen endlich anfangen, über unsere Erfahrung zu sprechen, über unsere Beziehung zu Christus, darüber, was uns trägt, Kraft gibt; darüber, wie der Glaube uns immer mehr zu dem macht, der wir wirklich sind. Wenn Menschen dann aufmerksam werden, zuhören und vielleicht darüber nachdenken, es mit dem Gebet wieder einmal zu versuchen – dann ist alles möglich!
Der Blick aus den verlorenen Augen so mancher Trauernder könnte einen Hoffnungsschimmer bekommen.
Amen.
Der Glaube an Jesus Christus eröffnet Zukunft. Ihn, der uns mit Leben beschenken will, bitten wir:
- Lass uns als Christen den Menschen unserer Tage die Osterbotschaft so bezeugen, dass sie darin neue Lebenskraft und Lebensfreude finden.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten Dich heute besonders für unseren neuen Papst Leo, der an diesem Sonntag in sein neues Amt eingeführt wird: Stärke ihn in seinem Dienst und lass ihn die Kraft der Gebetsgemeinschaft der ganzen Kirche erfahren.
- Wir bitten für unsere Erstkommunionkinder und die Jugendlichen, die sich auf die Firmung vorbereiten: Lass sie spüren und erfahren, welche Freude der Glaube schenkt.
- Wir bitten für die Kirche in unserem Land und weltweit, dass sie im Vertrauen auf Deinen Geist immer neu lernt, Wege zu den Menschen zu finden, um Dich ihnen so nahe zu bringen.
- Wir hören nicht auf zu hoffen und um den Frieden in der Ukraine zu bitten: Dafür, dass alle Verantwortlichen ihre Kräfte und Möglichkeiten für einen Waffenstillstand einsetzen, so dass ein dauerhafter Friede möglich wird.
- Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen: Lass sie bei Dir die Vollendung finden, die wir alle erhoffen.
Allmächtiger Gott, in Deinem Sohn finden wir das Ziel unseres Lebens. Dir sei Dank, der du mit Ihm und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.
