Ein Kind ist uns geboren – Puer natus est


Die Texte der Heiligen Nacht im Lesejahr A, die Lesungen (Jes 9, 1–6 und Tit 2, 11–14) und das Evangelium (Lk 2, 1–14), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache. Dort finden Sie auch die anderen Texte des Tages als auch der folgenden Weihnachtsfeiertage.
Liebe Schwestern und Brüder,
„ein Kind ist uns geboren“, so jubelt der Eingangsvers der Weihnachtsmesse: „Puer natus est“! Darum geht’s. Verrückt, dass sich alles darum dreht: Der ganze Weihnachtsrummel Wochen vorher, die Vorfreude, die Hektik, die vollen Terminkalender. All dies, weil dieses Fest eine Faszination ausübt, wie sonst kein anderes. Trubel um ein Kind.
Lassen wir erst die Bibel erzählen: Die Evangelisten Matthäus und Lukas berichten von der Geburt und der Kindheit Jesu. Der eine schaut mehr auf Josef, der andere auf Maria. Bei beiden ist gleich: Damit ein Kind von Gott her geboren werden kann, muss erst etwas anders das Licht der Welt erblicken: Die Bereitschaft des Menschen, Gott handeln zu lassen. Gar nicht so einfach! Das war es noch nie.
„Ein Kind ist uns geboren – Gott will es uns leicht machen. Beim Blick in das Gesicht eines Babys schmilzt wohl fast jeder dahin! Einfach weil es schutzbedürftig ist. Weil irgendwie noch alles möglich ist, die Zukunft so offen ist und die Möglichkeiten scheinbar unbegrenzt sind.
- Gott: schutzbedürftig? Ja! Verrückt, was wir hier feiern. Damit Gott wachsen kann, damit sich ausweitet, was Ihm wichtig ist, braucht es die Bereitschaft, die Josef und Maria vorgelebt haben – und die nach ihnen von Unzähligen nachgeahmt wurde. „Ein Kind ist uns geboren“ und wir nehmen es in unsere Arme, machen Ihm Platz – und werden still!
- Stille Nacht – das rührt uns an. Da hören wir in der Stille etwas, das uns verbindet: Da meldet sich unsere gemeinsame Sehnsucht nach Frieden, nach einem Miteinander, nach wirklicher Annahme unserer selbst. „Rettung“ nennt es der Engel: der Retter ist geboren, der Heiland, der Heilende. Ja, in diesen Tagen werden Wünsche geäußert, Segensworte gesprochen, Reden gehalten: Demnach wird von jetzt an alles besser! Wir meinen es so, und doch … Die Stille dieser Tage hält nicht lange an. Sehr bald hören wir andere Stimmen, die lauter sind als die des Kindes.
- Diese drei Tage – die Nacht, der Weihnachtstag und Stephanus – haben es in sich: Der Zauber der Nacht – den teilen viele in unserer Gesellschaft mit uns Christen.
Das Wort, dass das Kind spricht – hier sind wir wieder unter uns.
Die Tat, die dem Wort folgt – Weihnachten auf dem Weg nach Ostern, steinig und einsam.
- „Ein Kind ist uns geboren – Puer natus est“. Dieses Kind, das Wort, spricht die einfache Sprache Gottes: Du, Mensch, bist geliebt. Das ist das definitive Wort Gottes an mich, an jeden. Befreie dich von deiner Angst um dich selbst: „Fürchte dich nicht“ – die Engel müssen es immer wieder sagen. Die Sehnsucht nach echtem Leben in uns, die die Nacht wieder anrührt, sie ist kein Irrlicht. Sie ist Widerschein des Lichtes, das in die Welt gekommen ist. Dem Licht, das jede Finsternis hell macht. Jede! Dieses Wort will in mich, in uns eindringen. Bin ich bereit dafür?
- Wenn wir Christen es an diesem Fest doch als eine Verpflichtung ansehen würden: Ja, jetzt, jetzt soll es gelten! Dein Wort soll wachsen in mir. Dein Wort soll auch in mir Fleisch werden. Diese ehrliche Bereitschaft, zumindest sie, braucht es – wie bei Josef und Maria. Den Rest macht Gott. Verrückt, dieses Fest!
Weihnachtstag: Das Wort: es meint keine „Lehre“, es meint die Beziehung, die Gott mit uns bauen und leben möchte. Ob das stimmt: Wir Christen sind es, die es bezeugen – oder eben nicht. Wir sind noch zu sehr beschäftigt, unsere leerer werdenden Kirchenräume zu füllen. Darum geht es nicht – darum ist es noch nie gegangen. Es geht darum, Seiner Gegenwart in der Welt Raum zu schaffen. Ob die Menschen dann kommen oder nicht, haben wir nicht wirklich in der Hand: In der Hand haben wir es, ob wir, ich, hier an dieser Quelle immer wieder Kraft und Geborgenheit finden, um diesen Dienst zu tun. Ich bin dankbar, dass es diesen Ort gibt.
- „Puer natus es“: Im Lateinischen heißt „Puer“ nicht nur „Kind“. Es kann auch „Diener“, „Knecht“ bedeuten. So, wie im Mitteldeutschen der „Bur“ nicht nur der „Bub“ ist, sondern auch der „Bauer“.
Jesaja jubelt nicht nur über das Kind, das uns geboren wird. Er spricht auch über den Knecht, der uns dient. ER macht es uns vor: Er hält das Wort, das Er spricht, ganz und gar. Er will uns zeigen, dass unsere Sehnsucht nach Leben, nach Frieden, nach einem Miteinander und Annahme keine Sehnsucht bleiben muss, sondern real, wirklich werden kann: Wenn wir Sein Wort leben. Ja, die große Geschichte zeigt, dass dies immer wieder nicht gelingt, dass Macht und Waffen stärkere Argumente sind. Und doch: Immer wieder geschieht es, ganz subversiv, da gelingt ein anderes Zeugnis, das innehalten lässt, zum Umdenken anregt, den Betrieb aufhält – wie bei Josef und Maria. Unaufhaltsam!
Stephanustag: Natürlich: wenn wir heute zu nahe dran stehen, sehen wir, wie ein mutiger junger Mann getötet wird. Wir erschrecken. Aber wer das Bild aus einem Abstand betrachtet: Was hat der Tod, das Opfer diese Mannes bewirkt?! Letztlich auch die Umkehr des Paulus! Weihnachten trägt dort Früchte, wo das Wort, der Heiland wachsen kann. Der Mensch bekommt gesagt: Fürchte dich nicht!
Heute blickt uns das Kind direkt ins Herz und fragt jeden persönlich: Lässt du mich wachsen, größer werden? Du musst nichts tun, nur ehrlichen Herzens „Ja“ sagen.
Das ist Weihnachten.
Ein Kind ist uns geboren – Puer natus est.
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der Mensch geworden ist und uns einlädt, Ihn in unserer Welt groß werden zu lassen, bitten wir:
- Für alle Christen, dass wir das Licht Deiner Gegenwart in unserer Welt verbreiten können, und so denen neue Hoffnung schenken, deren Leben von Finsternis geprägt ist.
(Christus, höre uns - oder: gesungener Ruf) - Für alle, die unter Krieg und Verfolgung leiden und sich nach Frieden sehnen; für die, die auch bei uns unter materieller Not leiden und für all die, die heute in besonderer Weise ihre Dunkelheiten und Einsamkeit spüren: Lass sie Deine Nähe spüren.
- Für Deine ganze Kirche, unseren Papst Franziskus und alle Hirten, dass sie in Wachsamkeit gegenüber den Zeichen der Zeit Deine Frohe Botschaft der Barmherzigkeit glaubwürdig vorleben und verkünden.
- Für die Männer und Frauen, die die Geschicke dieser Welt in Politik und Wirtschaft mitbestimmen: Öffne sie für Deinen Geist des Friedens und der Verständigung und hilf ihnen, Entscheidungen zum Wohle aller zu treffen.
- Wir bitten Dich für alle Menschen, denen wir uns heute auf besondere Weise verbunden fühlen und vertrauen Dir unsere Verstorbenen an. Sei besonders denen nahe, die einen nahen Menschen verloren haben und in dieser Heiligen Nacht schmerzlich vermissen. (Kurze Stille)
In der Freude über Deine Nähe loben und preisen wir Dich mit dem Vater und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen.
