Ein Jahr ohne Glocken in Erbach
Die Kirchturmsanierung von St. Markus in Erbach (wir berichteten) nähert sich ihrem Ende: Knopf und Hahn sind wieder oben auf und auch die Zeiger der am Turm angebrachten Uhren drehen wieder munter ihre Kreise (mal abgesehen von der deutlich tieferen Sonnenuhr, die noch unter den Planen des Gerüstes versteckt ist) und das sogar wieder mit der richtigen Uhrzeit… fast fertig also, nur noch das Gerüst weg und es ist alles wieder wie vorher, nur eben schöner. Oder fehlt doch noch was?
"Süßer die Glocken nie klingen", wird es an Weihnachten wieder bei denen heißen, die dieses romantisierende Lied noch kennen. Nach dem letzten Weihnachtsfest, zu Beginn dieses Jahres, kam in einem Gespräch das Thema auf die Kirchturmsanierung in St. Markus in Erbach zu sprechen. Es wurde die Frage gestellt, ob die Glocken wieder geläutet werden können an Ostern. "Das habe ich an Weihnachten sehr vermisst!"
Seit Mitte 2023 schweigen die Glocken der Kirche St. Markus im Kirchort Erbach nun schon. Für einige sicher eine Wohltat - für andere...? Vielen Menschen am Kirchort, auch mir persönlich, fehlt da einfach vieles! Ob bewusst oder unbewusst sei dahin gestellt. Glockenschlagen und -läuten sind "Zeitzeichen". Ein Anachronismus in einem digitalen, medialen Zeitalter überflüssig, unnötig, gar störend? Ich meine keines von alldem. "Das was die Stund geschlagen hat", ein Sprichwort. Was die Uhr anzeigt, macht das Stundenschlagen hörbar für alle. Es gibt auch in der Jetztzeit Orientierung über die Tageszeit. Das Totengeläut gibt Auskunft über das Ende eines Menschlebens. Das Taufgeläut signalisiert den Beginn eines Christenlebens. Hochzeitsglocken "beten", wenn sie geläutet werden, für ein gelingendes gemeinsames Zusammenleben.
Das Vierer-Ensemble von St. Markus besteht aus Markus (1949), Anna (1377), Maria (1768) und Josef (1949). Markus und Josef sind Nachgüsse der Glocken, die in den Weltkriegen verloren gingen. Anna ist die älteste erhaltene Glocke im Rheingau und auch älter als der Turm selbst, den dort findet sich die Jahreszahl 1477 als Baubeginn. Sie ist also ein Erbe aus der vorherigen St. Markus Kapelle.
Die Markusglocke, sie ist die größte und schwerste Glocke des Vierer-Ensemble im Kirchturm von St. Markus, verkündet mit ihrem Klang das Thema Tod und Erlösung. So kündet sie jeden Freitag, außer dem Karfreitag, da ist sie "in Rom zum Milchsuppe essen", um 15 Uhr vom Leiden und Sterben Jesu Christi. Sie läutet mit ihrem tiefen Ton Cis das alte Jahr aus, bevor mit allen Glocken das neue eingeläutet wird.
Glocken rufen zum Versammeln in verschiedenen Kombination entsprechend dem Anlass eines Gottesdienstes. Sie rufen zum Innehalten und Gebet, dem "Angelus", am Tagesbeginn, am Mittag, am Abend, zur Nacht (Kirchort Winkel St. Walburg). Sie läuten/schlagen zum Evangelium im Gottesdienst (Kiedrich); Zur Erhebung von Brot und Wein, der Wandlung, und zum großen Gotteslob, dem "Te deum". Nicht zu vergessen das gemeinsame Mittagsgeläut um 12 Uhr in Erbach zusammen mit zwei Glocken der ev. Johanneskirche. Das Dreiergeläut ist ein Alleinstellungsmerkmal in der Region, wie der "Glockenpapst" Kurt Kramer vor einigen Jahren im "Triangelisforum" in der ev. Johanneskirchre feststellte. Glocken werden geweiht vom Bischof mit einem besonderen Segen. Sie tragen Namen von Heiligen oder besonderen Anliegen der Menschen, wie Frieden oder Schutz von Gefahren. Glockenklänge steigen, wie Weihrauch, symbolisch auf zum Himmel.
Alles das hat jetzt lange gefehlt, wurde vermisst, auch vielleicht aus Gewohnheit heraus und dem Gefühl von Sicherheit und Beständigkeit. Für die Zukunft fehlt mir hier am Kirchort Erbach so manches Geläutet: ein Morgenläuten z. B. um 8.30 Uhr zur Öffnung der Kita an Wochentagen mit der kleinsten Glocke oder ein Gebetsläuten auch am Sonntag: Das gemeinsame Einläuten der Sonn- und Feiertage von beiden Kirchen am Ort Erbach. Acht Glocken zusammen, die rufen: "Sonntag, Feiertag, Tag des Herrn!" Ob gelegen oder ungelegen: Verkündigung der Frohen Botschaft ist das, klingenden Gebt.
Ich habe die Hoffnung, dass die Glocken von St.Markus an Weihnachten 2024 mit ihrem Klang wieder die Frohe Botschaft verkünden und das neue Jahr 2025 einläuten werden.
-- Armin Ott