Diener des Volkes


Im Pfarrbrief fanden Sie in den letzten Monaten immer wieder einen Filmtipp von Nico Compagni. So auch im März mit "Die Hütte" und auch für April ist sicher wieder eine neue Empfehlung dabei. Für den Monat März möchte ich Ihnen aus aktuellem Anlass aber einen weiteren etwas anderen Vorschlag machen:
In der aktuellen Berichterstattung zur Ukraine wird immer wieder auch erwähnt, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht nur Schauspieler und Komiker war, sondern sogar den Präsidenten bereits in einer Serie gespielt hat. Man könnte sogar sagen, in dieser Serie "Diener des Volkes" spielt er die Rolle, die sein Leben veränderte: Einen Geschichtslehrer ohne Politikerfahrung, der über Nacht zum Präsidenten der Ukraine wird.
2015 wurde die Serie im ukrainischen Fernsehen mit großem Erfolg ausgestrahlt und kam dort auf insgesamt 3 Staffeln. Knapp vier Jahre später gewinnt Selenskyj 2019 mit seiner nach der Serie benannten Partei die Parlamentswahlen und wird Präsident der Ukraine.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Es handelt sich nicht um eine Biographie. Die Serie ist eindeutig eine klassisch überdrehte Comedy. In der Realität hat Selenskyj auch sicherlich nicht mit Crowfunding die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Die Idee das ein Unbekannter und Unerfahrener plötzlich Präsident wird ist auch nicht völlig neu. Themen wie Ehrlichkeit und Korruption scheinen aktuell auch eher zweitranging. Oder vielleicht doch nicht?
Die Serie beginnt z.B. mit dem Blick über den Majdan Nesaleschnosti (zu Deutsch: Platz der Unabhängigkeit) – dem zentralen Platz in Kiew, den wir aktuell immer wieder in den Nachrichten sehen. Viel reden wir aktuell über Sanktionen gegen Oligarchen. Drei von denen unterhalten sich hier über die anstehenden Präsidentschaftwahlen – und was diese gespielte "Unabhängigkeit" kostet.
Allgemein kann es sich lohnen ab und an auf Pause zu drücken und mal nachzulesen was es mit der Anspielung auf sich hat, den die Serie ist natürlich für ukrainisches Publikum gedreht worden: Für seine dürftigen Kenntnisse über den Mann auf dem 50 Hrywen-Schein bekommt der Schüler nicht etwa eine deutsche "2" sondern umgekehrt ein "ungenügend". Dieser Schein ist Anfang 2022 umgerechnet übrigens etwa 1,50 € wert (aktuell wird ukrainisches Geld weder gehandelt noch getauscht). Die Lage seit 2014 hatte zu einem deutlichen Preisverfall geführt – vor der Krimkrise war der Wechselkurs noch recht stabil bei 8 €. Zu den Dreharbeiten 2015 lag das Durchschnittsgehalt etwa bei 7400₴, was in etwa 450€ bedeutete. Das ist im übrigen auch die Kreditsumme die die Hauptfigur für eine Mikrowelle aktuell noch abstottert.
Vielleicht fragen Sie sich langsam was das alles nun mit Gott und Kirche zu tun hat. Nun, ich hab die erste Staffel selbst noch nicht zu Ende gesehen, aber bereits in der ersten Folge wird gesungen "Der Sohn Gottes ist geboren!". Was es damit auf sich hat müssen Sie aber selbst herausfinden…
Die 1. Staffel der Serie finden Sie im ukrainischen Orginalton mit deutschen Untertiteln kostenlos in der öffentlich-rechtlichen Arte Mediathek. Laut den dortigen Angaben ist sie nur noch bis Ende März dort verfügbar (sie ist dort seit dem 1. März). Es handelt sich um 23 einzelne Folgen a ~25 Minuten (die erste Folge ist eine Doppelfolge mit ~45 Minuten Spielzeit).
So schön es allerdings ist Orte, Plätze und Personen mal nicht im bedrückenden Kriegskontext zu sehen, ganz verdrängen oder gar vergessen machen kann und soll diese Comedy natürlich nicht was uns quasi minütlich an Dramen aktuell aus der Ukraine erreicht.
Es sei daher auch noch einmal explizit auf die vielen Gebetsinitativen in den Kirchorten unser Pfarrei und wie auch Sie ganz konkret und hier vor Ort Flüchtlingen helfen können hingewiesen.