Die Tempelreinigung - oder: Gott lässt sich nicht kaufen


Liebe Schwestern und Brüder,
Jesus räumt auf: im Tempel. So wird es in allen vier Evangelien berichtet. Bei Matthäus, Markus und Lukas lesen wir, dass Jesus wenige Tage vor Seinem Tod im Tempel handgreiflich wird. Der Evangelist Johannes allerdings – von ihm hören wir heute – kennt diesen Bericht und erzählt ihn doch anders. Er setzt die Szene der Tempelreinigung ganz an den Anfang des Wirkens Jesu. Warum tut er das? Was will er damit zeigen, oder besser: welches Anliegen Jesu möchte er so herausstellen – ist er der Tradition nach doch der Jünger, der dem Herrn am nächsten stand, der die Anliegen Jesu wohl besser ahnte und kannte als andere.
- Johannes berichtet direkt vor der Tempelreinigung vom Weinwunder in Kana, dem ersten Zeichen Jesu: Aus Wasser wird Wein, das bedingungslose Geschenk Gottes, damit wir Hochzeit, das Fest des Lebens, feiern können. Im Anschluss an die Tempelreinigung wiederum berichtet Johannes vom nächtlichen Gespräch Jesu mit dem Ratsherrn Nikodemus. Dabei macht Jesus deutlich: nur wer neu geboren wird – wer also Altes hinter sich lässt – wird das Reich Gottes sehen!
Dazwischen also – zwischen der freien Gabe Gottes und der Notwendigkeit des Umdenkens – verlegt Johannes die Tempelreinigung. Er beschreibt sie wie die anderen Evangelisten auch, fügt die Bemerkung über das Niederreißen des Tempels ein – und verändert ein Wort: Während die anderen Evangelisten Jesus das Wort von der „Räuberhöhle“ in den Mund legen, spricht Jesus bei Johannes von der „Markthalle“, vom „Kaufhaus“. Das eine Wort: es ist entscheidend, um das Motiv Jesu zu verstehen!
- Kann ich mir Gottes Nähe, Seine Liebe, Seine Vergebung, Seine Hilfe „kaufen“? Diese Frage klingt absurd – und doch: Ist es nicht genau das, was als Gefahr immer wieder droht? Ich kaufe mir Gott! Im Tempel wird peinlich genau darauf geachtet, dass kein römisches, heidnisches Geld hineinkommt; die Opfertiere müssen „koscher“ sein; die Händler – die ein gutes Geschäft machen – brauchen eine Zertifizierung. Das alles wirft Geld ab. Aber wozu? Damit die Menschen, die Gläubigen, sich damit das Wohlwollen Gottes kaufen können! Ist das nicht der Zweck von Tempeln: dass der Mensch in das Verhandeln mit Gott eintritt?
Hier ein Opfer – und da eine Hilfe; hier ein Gebet – und da ein Eingreifen Gottes; hier ein Gelübde – und da eine Veränderung der Verhältnisse? „Er ist jeden Sonntag in die Kirche gegangen und dann hat Gott ihn so leiden lassen!“ „Vor dem Urlaub muss ich noch in die Kirche und eine Kerze anmachen, damit alles gut geht!“
- Nein! Ihr macht aus dem Haus meines Vaters eine Markthalle! Ihr könnt die Liebe Gottes nicht kaufen – und: Er gibt mehr, als ihr ahnt. ER wandelt sogar Wasser in Wein. Mühe dich nicht um einen Handel, bemühe sich um Umkehr, um ein verändertes Denken, ein neues Geborenwerden. Darum bemüht euch! Gleich zu Anfang Seines Wirkens macht Jesus also nach Johannes deutlich, worum es Ihm geht: um eine grundsätzliche Veränderung der Verhältnisse. Das setzt aber ein grundsätzlich anderes Denken des Menschen voraus! Allein Verhältnisse zu ändern, reicht nicht!
Mit diesem Verständnis kann ich mich in dieser Fastenzeit dem Evangelium neu nähern. Und mich selbst fragen: Vertraue ich Gott? Vertraue ich darauf, dass ER Leben gibt, dass ER mir Leben gönnt? Oder versuche ich immer wieder, mir Gott zu „kaufen“?
Meine Erfahrung ist: Menschen wünschen sich ein solches Vertrauen und spüren doch auch die Hindernisse, die sie davon abhalten. Die Gründe dafür sind verschieden: Lebensereignisse, Enttäuschungen, zerbrochene Beziehungen, unversöhnte Lebenswege … .
Eine Fastenzeit wird mich immer auch auf mich selber zurückwerfen: Auf das in mir, was krank, verletzt, unversöhnt ist. Ich werde entdecken, dass ich mich selbst nicht erlösen kann, sondern all das nur im Vertrauen Dem hinhalten kann, der aus dem Tod neues Lebens schenkt. So, nur so, wird es Ostern.
Amen.
Fürbitten
Jesus Christus der uns zum Vertrauen gegenüber dem Vater ruft, bitten wir:
- Du bittest uns, dem Vater zu vertrauen, der uns mehr gibt, als wir erbitten können: Erneuere uns und Deine ganze Kirche in dieser Zeit der Umkehr, so dass wir den Menschen unserer Tage Zeugen der Hoffnung sein können.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns)
- Nicht wenige Menschen fühlen sich von der Kirche nicht angenommen oder gar ausgeschlossen: Hilf den Verantwortlichen in der Treue zu Dir neue Wege zu denen zu gehen, denen Deine besondere Aufmerksamkeit gilt.
- Wir bitten dich für Papst Franziskus und seine Pilgerreise in den Irak. Lass sein Bemühen um Frieden und Verständnis zwischen den Religionen Früchte tragen und hilf auch uns, das Vertrauen Abrahams neu zu lernen.
- Wir bitten Dich für die, die das Vertrauen in das Leben verloren haben, die durch Misserfolg, Scheitern oder Krankheit gezwungen sind, neue Wege zu gehen.
- Lass unsere Verstorbene zu dem Fest gelangen, zu dem Du uns alle eingeladen hast.
Dir, dem Vater, sei Dank, der du mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebst und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.
