Die Frohe Botschaft künden – oder: für wen gehst du?


Liebe Schwestern und Brüder,
was für eine wunderbare Fortsetzung des letzten, des 2. Adventssonntages. Da hieß es: „Tröstet, tröstet mein Volk“ (Jes 40,1) und wir versuchten, das auf unsere Situation anzuwenden. Auf die Situation der Angst und Unsicherheit in der Zeit der Pandemie. Und auch mit einem Blick auf die Zeit nach der Pandemie, wenn es nicht einfach dort weitergehen wird, wo es vor der Pandemie aufhörte, denn: dann wird unser Dienst der Versöhnung gefragt sein! (Vgl. Predigt zum 2. Advent: https://peterundpaul-rheingau.de/beitrag/troestet-mein-volk-oder-glaubwuerdige-boten/ )
- An diesem Sonntag können wir diesen Gedanken noch etwas vertiefen: Der Prophet Jesaja sagt von sich, dass der Geist Gottes auf ihm ruhe, er gesandt sei, frohe Botschaft zu bringen. Gerade denen, die ein gebrochenes Herz haben, die gefangen sind und arm, gilt diese Botschaft – denen also, die sie so dringend brauchen (vgl. Jes 61,1). Wenn es heißt, dass der Geist Gottes auf ihm, auf Jesaja ruht, dann bedeutet das, dass durch seine Person, durch die Worte, die er spricht, Gottes Gegenwart selbst erfahrbar wird („persono“ im besten lateinischen Sinne: da tönt jemand anderes durch mich hindurch!).
Nach dem Lukasevangelium wird Jesus diese Jesaja-Stelle auf sich beziehen, in Ihm kommt dieses Wort zu einer besonderen Erfüllung (vgl. Lk 4, 18). Damit Menschen auf Jesus aufmerksam werden, braucht es aber Menschen wie Johannes den Täufer, von dem wir am letzten Sonntag und im heutigen Evangelium hörten: Menschen, die auf Jesus hinweisen, die auf Ihn aufmerksam machen. Menschen also, die dabei behilflich sind, dass Wege für den Herrn gebahnt, geebnet werden, dass Hügel gesenkt und Täler aufgefüllt werden. Dass also im Vorfeld Hindernisse beseitigt werden, damit die Gegenwart Gottes überhaupt wahrgenommen werden kann.
- Johannes der Täufer wird von den Priestern und Leviten ausdrücklich befragt, wer er sei. Dreimal befragen sie ihn und Johannes versucht, eine Antwort zu geben. Nachdem er ausdrücklich dargelegt hat, was er nicht ist, kommt er zum Punkt: „Ich bin die Stimme eines Rufers in der Wüste“. Dafür steht er, das ist sein Selbstverständnis!
Was antworten wir auf die Frage: Wer bist du? Bei dieser Frage geht es um mehr als um eine Auskunft nach Name, Alter und Beruf. Diese Frage zielt nicht auf das, was ich habe, sondern auf das, was mich ausmacht, wofür ich stehe, wofür ich brenne.
- Wenn wir also Christen sind und es sein wollen und uns in diesem langen Advent auf die Zeit „danach“, nach der Pandemie, vorbereiten wollen, dann geht das nicht ohne eine kritische Selbstreflexion (und deswegen ist der Advent ja vom Wesen her auch eine Fastenzeit!): Wer bin ich? Wofür stehe ich? Wofür brenne ich? Funktionäre der Kirche, für Christus, haben ausgedient! Was es jetzt braucht – und es braucht sie wirklich! – sind Menschen, denen man das, was sie über Christus sagen, abnimmt. Die ganz und gar dafür stehen.
Martin Buber erzählt von Rabbi Naftali:
In Ropschitz, Rabbi Naftalis Stadt, pflegten die Reichen, deren Häuser einsam oder am Ende des Ortes lagen, Leute zu dingen, die nachts über ihren Besitz wachen sollten. Als Rabbi Naftali sich eines Abends spät am Rande des Waldes erging, der die Stadt säumte, begegnete er solch einem auf und nieder wandelnden Wächter. „Für wen gehst du?“ fragte er ihn. Der gab Bescheid, fügte aber die Gegenfrage daran: „Und für wen geht ihr, Rabbi?“ Das Wort traf den Rabbi wie ein Pfeil. „Noch gehe ich für niemand“, brachte er mühsam hervor, dann schritt er lange schweigend neben dem Mann auf und nieder. „Willst du mein Diener werden?“ fragte er endlich. „Das will ich gern“, antwortete jener, „aber was habe ich zu tun?“ „Mich zu erinnern“, sagte Rabbi Naftali.1
Hören wir als Christen, als Gemeinde Jesu, diese Frage „für wen gehst du?“ Es ist gut, wenn wir erschrecken, wenn sie uns trifft. Und: es ist gut, wenn wir jemanden haben, der uns erinnert, für wen wir da sind, für wen wir gehen. Das ist für mich ja genau die Funktion einer Gemeinde, dass wir uns, dass wir einander daran erinnern, für wen wir Stimme sind!
Denn der Geist Gottes ruht auf mir, auf uns – und dieser Geist will hindurchtönen, hindurchsprechen ( = persona) durch uns, durch mich in diese Welt. Gerade jetzt, gerade in dieser Zeit. Es ist Advent.
Amen.
1 Martin Buber, Die Erzählungen der Chassidim, Zürich 1949, 671.
Fürbitten
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns Seinen Geist verliehen hat, um so Seine Stimme zu Gehör zu bringen, bitten wir:
- Für Deine Kirche, für jeden Einzelnen von uns: Dass wir durch unser Leben Deine Gegenwart unter uns bezeugen und so Deine Stimme für sie werden.
(Maranatha – Komm, Herr Jesus)
- Wir bitten Dich in dieser Zeit der Pandemie für die Menschen, deren Leben durch Angst gezeichnet, die keine Lebensfreude mehr verspüren, die sich alleine fühlen und die es sind: Lass uns ihnen die Stimme Deiner Gegenwart sein.
- Wir bitten für alle Frauen und Männer, die in diesen Tagen Mutter und Vater werden: Erfülle sie mit Dankbarkeit und Freude über das Geschenk des Lebens, das ihr eigenes Leben verändern wird.
- Wir bitten Dich für alle Rastlosen und die, die sich nach Ruhe und Frieden, nach Versöhnung und Vergebung sehnen.
- Lass unsere Verstorbenen die Freude der Gemeinschaft erfahren, in die Du uns rufst.
Du bist der Grund unserer Freude, der Du mit dem Vater und dem Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.
