Der Herr ist mein Hirte - II


Liebe Schwestern und Brüder,
am gestrigen Abend haben wir uns anhand von Psalm 23 – der Herr ist mein Hirte – Gedanken darüber gemacht, wie ich mit diesem Wort aus der Hl. Schrift in das neue Jahr gehen kann. Dies möchte ich an diesem Morgen im Blick auf die Hirten des Evangeliums gerne mit Ihnen weiter verfolgen:
- Das ist eines der Wunder, die uns an Weihnachten erzählt werden: dass Hirten einer Vision trauen und sich von ihr bewegen lassen. Was muss geschehen, dass Menschen, die mit beiden Füßen auf der Erde stehen, eine solche Botschaft glauben, die erst einmal utopisch klingt? Es muss etwas in ihnen zum Klingen gebracht haben. Anders ist das nicht zu erklären. Da muss es ein Traumland in ihnen gegeben haben, dass sie nie ganz vergessen haben. Und die Tür dahin öffnet der Engel, die Botschaft – und sie machen sich auf nach Betlehem. Die Hirten gehen hin und entdecken, dass es genau so ist, wie es ihnen gesagt worden war. Genau so.
Wie sieht es aus mit unseren wirklichen Träumen? Sind meine Träume nicht letztlich doch auch ein Echo auf die Botschaft der Engel, tief in mir vergraben, weiter gegeben von Generation zu Generation? Es geht nicht um Träumereien, sondern von dem Traum, den Gott auch mit mir wieder träumt, indem ER mich in diese Welt gestellt hat. Meine Träume zu leben: Hängen sie nicht auch ein wenig damit zusammen, was ich mir selbst zutraue an dem Ort, dem konkreten, an den ER mich gestellt hat? Der Herr ist mein Hirte – mich von diesem Hirten immer wieder herauslocken lassen, auf die Wiesen und Weiden, die zu entdecken Er mich einlädt. Ja, es werden auch finstere Täler und Schluchten dabei sein, die zu bestehen sind – aber ER führt da hindurch!
- Die Hirten erzählen Maria und Josef, warum sie gekommen sind, was ihnen da von Engeln gesagt wurde. Maria und Josef erfahren so, dass ihre eigenen Visionen und Träume nichts Versponnenes und Eingebildetes sind. Gott zeigt sich so als einer, der immer wieder überrascht. Dies geschieht dadurch, dass andere ihre Erfahrung mitteilen, dass andere Zeugnis davon geben, dass Gott vertrauenswürdig ist, dass er mein, unser Hirte ist.
Ich selbst bin davon tief überzeugt, dass wir unter uns viel zu wenig von den Wundern erzählen, die wir mit Gott erleben. Manche sagen mir, dass sie nicht wüssten, was ich damit meine. Ich kann darauf nur antworten: Betrachtet jeden Abend den Tag, der zu Ende geht. Mit wem habt ihr gesprochen, was habt ihr erlebt, was ist euch begegnet? Wer dies aufmerksam tut, wird sehr bald wissen, wieviele Wunder Gott in unserem Leben wirkt. Eben wie ein guter Hirt, der genau weiß, wie und wohin er mich führen will. Wenn ich IHN denn lasse, wenn ich IHN mein Hirt sein lasse!
- Die Hirten kehren zurück in ihren Alltag und rühmen Gott, sie preisen Ihn, wird da betont. Zurück in meinen Alltag gehen und ihn doch ganz anders leben – eben weil da ein Dank drin liegt. Ein Dank gegenüber einem anderen.
Das wäre ein wirklich lohnendes Vorhaben: Der Dankbarkeit in meinem Leben mehr Raum zu geben. Meine tägliche Wahrnehmung ist eine andere: Klage und Anspruch herrschen vor. Die höchste Form unseres Gottesdienstes nennt sich „Eucharistie“, das heißt „Danksagung“. Es stünde uns Christen gut an, mit dieser Haltung aufzufallen, ein Gegenbeispiel zu geben. Wenn ich aus der Haltung lebe, dass der Herr mein Hirte ist, dann kann ich gelassener werden und eben auch dankbar für das, was mir heute gezeigt wird und widerfährt. Das muss ich üben. Und dafür haben wir jetzt wieder 365 Tage Zeit.
Die Liturgie stellt uns Maria ins Tor des neuen Jahres. Hier in unseren Kirchen können wir ihre Darstellungen gar nicht übersehen. Sie zeigt uns, lebt uns vor, was es heißt, aus dem Wissen zu leben, dass der Herr unser Hirt ist.
Von ihr können wir gut lernen was es heitß, die Täume Gottes zu leben, zu erzählen und immer wieder zu danken.
Es kommt halt darauf an, dass dann auch konkret zu tun.
Der Herr ist mein Hirte.
Amen.
Fürbitten
Herr Jesus Christus, in Deinem Namen wollen wir Kirche sein und bitten Dich:
- Lass Deine Kirche nicht müde werden, immer wieder neu danach zu fragen, was in Deinem Namen in dieser Welt zu tun ist und von dem zu erzählen, was Du täglich an Wundern wirkst.
(Christus, höre uns - Christus, erhöre uns)
- Lass uns als Menschen leben, die durch die Botschaft des Weihnachtsfestes ermutigt werden, Deinem Traum des Friedens und der Versöhnung den Weg zu bereiten.
- Schenke besonders denen neues Vertrauen, die das Neue Jahr mit Sorge und Angst erwarten, die vor einschneidenden Veränderungen in ihrem Leben stehen.
- Schenke den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft die Bereitschaft, ihr Planen und Handeln vor Dir zu verantworten und dem Wohl der Weltgemeinschaft zu dienen.
- Schenke den Verstorbenen des vergangenen Jahres Gemeinschaft mit Dir und lass die Hinterbliebenen aus der Begegnung mit Dir Dankbarkeit und neue Lebensfreude schöpfen.
Du bist das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit. Amen.
