Demut – oder: vom Mut, anderen von Nutzen zu sein
Die Texte am 25. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (Weish 2, 1a.12.17–20 und Jak 3, 16 – 4, 3) und das Evangelium (Mk 9, 30–37), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
der Erste soll dienen! Natürlich kennen wir dieses Wort Jesu. Und klar: Wir wissen auch, dass es bis heute auch unter Christen nicht oder nicht genug gelebt wird. Ring frei also für eine deftige Aussprache über Macht und Machtmissbrauch, über Führen und Missmanagement?
Wir wissen vielleicht noch, dass das Wort „Minister“ eigentlich „Diener“ heißt (und finden das im besten Falle noch amüsant). Auch in der Kirche sprechen wir seit einigen Jahrzehnten über den bischöflichen und priesterlichen Dienst und klagen doch über autoritäre Strukturen. Da soll der ehrenamtliche Dienst einen Ausgleich schaffen und nicht nur Papst Franziskus fragt besorgt, ob es da nicht auch um die Gefahr von Klerikalisierung, sprich Machtausübung von Laien geht. Wir können das nun beleuchten, von vielen Seiten, kritisch bis selbstkritisch – aber hier und jetzt möchte ich auf das Evangelium zurückkommen und darauf schauen, was Jesus wichtig sein könnte, worum es Ihm geht.
Vielleicht etwas ungewöhnlich: Ich frage mich das im Blick auf mich, meine Rolle, mein Priesteramt und meine Aufgabe als Pfarrer. Ich möchte so dazu einladen, dass jeder und jede in seinem Leben – der Rolle, der Funktion, der Aufgabe – danach schaut, wie das aussehen kann: dienen.
Vielleicht sagt jemand: Ich will gar nicht der Erste sein, das betrifft mich also nicht. Machen wir es uns nicht zu einfach: Das Markusevangelium berichtet, dass die Jünger nach dem eben gehörten Text eben nicht begriffen haben, was Jesus wirklich meinte. Denn kurz nachdem Jesus Seine dritte Leidenskündigung platziert hatte, kam die Mutter der Zebedäussöhne und fordert von Ihm die beiden Sitze rechts und links im neu zu errichtenden Reich: die wichtigsten Ministerposten also! Da waren die Jünger wieder sehr aufgebracht – denn sie fühlten sich übergangen, ihrer eigenen Chancen auf diesen Posten beraubt! Da hinein spricht Jesus dann: „Bei euch aber soll es nicht so sein!“ (vgl. Mk 10,43).
Es geht also nicht einfach darum, Erster oder Zweiter zu sein, es geht um eine Haltung – eine Haltung, die uns unterscheidet. Wovon? Von der „Welt“, davon, was allgemein üblich war und üblich ist: Macht, Karriereschritt, Neid und Eifersucht auf den, der weiter kommt. Wir halten es für normal. Für Jesus ist es das nicht. Oder besser: es ist nicht menschlich, es fördert nicht den Menschen, den Er erschaffen hat. Natürlich: Wir dürfen, wir sollen uns entwickeln, entfalten – aber worauf hin?
Also: Wie kann ich das Wort Jesu auf mich anwenden? Mit meinem Dienst ist Leitung verbunden, Entscheidungsbefugnis, Macht, Einfluss, Autorität. Wie sieht da ein Dienen aus?
Für mich kommt da das Wort „Demut“ ins Spiel. Ich meine damit nicht, sich selbst kleinzumachen oder gar abzuwerten („dir fehlt die Demut!“), sondern eine Haltung, die Kraft erfordert: nämlich Mut. Mut zum dienen. Wieso braucht es Mut?
Der Anspruch des Dienens: Ich bin einem anderen von Nutzern! In einem religiösen Kontext sieht das für mich konkret so aus: Ich möchte einem anderen dazu verhelfen, das zu werden, das zu entwickeln, was er ist, was in ihm steckt. In meinem Fall als Priester und Pfarrer in der Begleitung anderer: Schau doch mal, ob hier nicht eine Gabe von dir steckt, ein Talent; trau dich, es einzusetzen, für das Reich Gottes Schönes zu vollbringen. Ich kann die Macht, die mir auf Zeit gegeben ist, nutzen, um einem anderen genau dafür Platz zu schaffen (ja, auch gegenüber Widerständen anderer, deswegen braucht es auch Mut!). Ja, auch dem Platz zu schaffen, der im gesellschaftlichen Kontext eher am Rande steht, verachtet wird, die „Armen“ mit ihren ganz unterschiedlichen Gesichtern.
Dienen, einem anderen von Nutzen sein: Ich kann das umso besser, je mehr ich selbst erfahre und spüre, dass ein ganz Anderer diesen Dienst mit gegenüber leistet: Dass Gott mich dahin gestellt hat, wo Er mich braucht (oder: mir die Kraft gibt, endlich an diesen Ort zu gelangen!). Jesus will mich nicht klein machen. Nein. ER will mich zu dem machen, der ich wirklich bin und in Seinen Augen sein kann. ER will die Schönheit in mir „hervorlieben“! Einander dabei behilflich zu sein, ist ein christlicher Dienst, der Macht und Einfluss einschließt, der aber auf etwas Bestimmtes gerichtet ist: Auf den lebendigen Menschen, der, je mehr er er selbst ist und wird, Gott umso mehr die Ehre gibt.
Amen.
Unser Herr Jesus Christus lädt uns in der Kirche zu einem anderen Miteinander ein. Ihn bitten wir:
- Schenke und in unserer Gemeinde die Bereitschaft, in Deinem Geist miteinander Gemeinde zu bauen und gerade denen zur Seite zu stehen, die der Hilfe bedürfen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Hilf der Kirche in unserem Land, die Schwachen und Kleinen in unserer Gesellschaft zu sehen und ihnen geschwisterlich beizustehen.
- Hilf denen, die ein Amt in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche innehaben, es so auszuüben, dass es allen zum Wohl und Nutzen sein kann.
- Stärke die Jungendlichen unserer Pfarrei, die sich auf die Firmung vorbereiten, und lass sie mutig dem Vater und Seinem Willen vertrauen.
- Gib unseren Verstorbenen den Frieden, den unsere Welt nicht geben kann und lass sie bei Dir ewige Heimat finden.
Gütiger Vater, in Deinem Sohn zeigst Du uns, wie sehr du jeden Einzelnen gerade in seiner Schwachheit annimmst. Dir sei Dank, der Du mit Ihm und dem Heiligen Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.