Dem Herrn den Weg bereiten


Die Texte des 1. Adventssonntags des Lesejahres A, die Lesungen (Jes 2, 1–5 und Röm 13, 11–14a) und das Evangelium (Mt 24, 29–44), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„wenn das so weitergeht, werden im Jahr 2050 weltweit zwei Drittel der Ernten vernichtet sein“, verkündete eine Vertreterin der „Letzten Generation“ am vergangenen Sonntag mit sich überschlagender Stimme bei Anne Will. Ein apokalyptisches Szenario. Flankiert wird es von den Bildern, die wir täglich geliefert bekommen und von den Nachrichten, die wir hören. Das ist bedrückend. Jetzt auch noch das Evangelium des 1. Advents. Das hilft nicht, dass sich die Stimmung aufhellen könnte. Wir erwarten anderes!
Wir erwarten, dass sich die Dinge zum Besseren wenden; dass wir die Zukunft besser beherrschen und dass sie Fortschritte bringt; dass die allgemeine Wohlstandskurve nach oben zeigt und dass wir uns nicht mehr fürchten müssen.
Diesen Erwartungen entsprach das Evangelium noch nie! Es stand und steht immer quer zu solchen Hoffnungen. Wir hörten es nicht. Wir überlagerten es – gerade im Advent – mit süßlicher Musik und die Sinne verklebendem Gebäck.
Das Evangelium und die ehrlich gefeierte Liturgie zeigen uns vielmehr, wie unerlöst diese Welt ist. Sie zeigen uns, wie immer wieder das – der – Böse einbricht und selbst wohlmeinende, gute Menschen nicht vor Irrtümern sicher sind: „Führe uns nicht in Versuchung; erlöse uns vor dem Bösen; bis du kommst in Herrlichkeit“.
Gott ist in Jesus Christus auf diese Welt gekommen. Auf dieses Fest bereiten wir uns jetzt wieder vor. Es prägt unsere Kultur so sehr, dass wir unsere Jahre danach zählen: 2022 nach Christi Geburt. „Nach“ Seiner Geburt: Christen möchten deutlich machen, dass wir Ihm „nach“gehen, Ihm „nach“folgen. Manchmal hat man den Eindruck, dass auch wir Ihm stattdessen im Wege stehen, „vor“ Ihm stehen und verhindern, dass Er ankommen und wirken kann.
- Das heutige Evangelium spricht von Katastrophen, von Angst und Wehklagen. Es spricht aber auch davon, dass all das getragen ist von der Ankunft des Menschensohnes. Kein finaler Weltenbrand, sondern eine finale Begegnung – darauf gehen wir zu. Eine solche Grundüberzeugung kann tragen.
Legen wir dann als Christen die Hände in den Schoß und überlassen die Welt ihrem Lauf? Keineswegs! Gerade Christen mischen sich ein! Gerade wir wollen „nach“folgen. Aber auf die Haltung kommt es dabei an:
In meinem Arbeitszimmer steht eine Sanduhr, ein Stundenglas. Keine unaufhörlich voranschreitenden Zeiger, sondern verrinnende Zeit! Die Zeit, jetzt, heute, ist einmalig, kommt nicht wieder. In einem geistlichen Lied meiner Jugendzeit heißt es: „Heute wird vertan oder auch vertan worauf es ankommt, wenn Er kommt!“
Diese Haltung wäre heute eine Wohltat, ein Dienst, den wir als Kirche, als Christen dieser Welt leisten können. Einer Welt, der gegenüber wir uns nicht abwenden, sondern ganz im Sinne Jesu ganz zuwenden: Mit all unseren Kräften und Talenten, mit all den Gaben, die uns gegeben sind, für den bedürftigen Menschen, für die bedrohte Schöpfung. Hier und jetzt Seinem Reich zu dienen, in Seiner Haltung zu bezeugen, dass ER da ist und Wunder wirkt, wenn wir es zulassen, wenn wir dem Raum geben. Es gibt genug Zeuginnen und Zeugen unter uns, die jetzt bestätigen können, was ich sage.
„Wenn das so weitergeht…“, der Schrei, von dem ich anfangs sprach: Ich kann nichts über das Morgen oder kommende Zeiten sagen. Ganz schnell kommt es doch anders, das sahen wir bei Corona. Ich kann aber etwas über das Heute sagen und meinen Beitrag dazu. Es ist mein Beitrag, der deutlich machen soll, dass ich Christus „nach“folge. Und dass sich durch Seine Geburt auf dieser Welt etwas verändert hat – deshalb feiern wir sie wie kaum ein anderes Fest im Jahr!
Es sind oft Kleinigkeiten, die deutlich machen, aus welcher Haltung heraus ich lebe: Als ich Ende Oktober aus Indien zurückkam, schrieb mir ein junger, sehr lebendiger Seminarist, den ich auf dem Unicampus in Bangalore kennenglernt hatte: „Wenn ich noch leben werde – if I am still alive – werde ich dich nächstes Jahr hier wieder sehen“.
Dieser junge Mann weiß, dass seine, dass unsere Zeit begrenzt ist. Und er weiß auch, wem er sie zur Verfügung stellt. Dies kann eine adventliche Ruhe schenken in all der Unruhe, die uns umgibt.
Amen.
Lasst uns zum Beginn des neuen Kirchenjahres den Herrn bitten, dass er ankommen möge in unserem Leben, in unserer Kirche und dem Leben der Welt:
- Wir bitten Dich für alle Getauften, dass wir in unserem Reden und Handeln bezeugen, dass wir Dir nachfolgen: in den Aufgaben, die vor uns liegen; gegenüber den Menschen, denen wir begegnen; in der Zeit, die wir leben.
(Komm, Herr Jesus – komm, Herr Jesus) - Wir bitten dich in diesen Wochen der Vorbereitung inständig darum, die Kräfte des Friedens und der Versöhnung zu stärken, um so das zu verwirklichen, was uns Menschen nicht zu gelingen scheint.
- Für alle Menschen, die sich in der Sorge um die Zukunft verlieren; für die, die einsam sind und sich nach Freundschaft und Nähe sehnen; für die, die sich ängstigen und für die, die trauern – lass sie entdecken, wie nahe du ihnen bist.
- Wir bitten Dich besonders für die jungen Menschen, die das Überleben der Schöpfung und das Wohl der Menschheitsfamilie umtreibt: Lass ihren Schrei in unserer Gesellschaft nicht ungehört verhallen.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass die Frohe Botschaft an ihnen in Erfüllung gegangen ist.
Du bist uns nahe und wirst wiederkommen, um die Welt zu vollenden. Wir danken Dir, der Du mit dem Vater und dem Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.
