"Das Wesen Gottes - oder: Vertrauen wagen"
Liebe Schwestern und Brüder,
vor einigen Jahren erregte nicht nur in religiösen Kreisen der Roman „die Hütte“ von William Paul Young großes Aufsehen und Verbreitung in vielen Sprachen und Ländern. Seine unglaublich gute Verfilmung 2017 mit Hollywood-Star Sam Worthington verhalf ihm zu noch mehr Aufmerksamkeit. Worum geht es? Die Hauptfigur, Mack Phillips, ist Ehemann und Vater dreier Kinder einer intakten und religiös gut eingebundenen Familie. Das jüngste Kind wird bei einem Ausflug entführt und ermordet – Schlimmeres kann einer Familie wohl kaum passieren. Gerade für Mack beginnt eine innerliche Abwärtsspirale. Zudem die zunehmend quälende Frage: Was ist das für ein Gott, der so etwas zulassen kann? Während seine Frau Gott immer „Papa“ nennt, zweifelt er zunehmend an einem liebenden, gerechten oder gar barmherzigen Gott. Interessiert sich Gott überhaupt für uns – für das Schicksal eines Einzelnen? Ist Gott gerecht, brutal, distanziert, interessiert? Können wir überhaupt menschliche Worte auf Ihn anwenden? Lässt sich Gott berühren von menschlichem Leid?
Fragen über Gott und Sein Wesen – sie können unendlich lange und ebenso ergebnislos diskutiert werden. Vor allem aber tun sie eines nicht: Sie führen nicht zum Glauben – eher davon weg!
- Eines Tages, Mack ist alleine zu Hause, findet er einen Zettel im Briefkasten: „Es ist eine Weile her. Ich vermisse dich. Ich bin am nächsten Wochenende bei der Hütte, wenn du mich treffen möchtest – Papa“. Ein Scherz? Eine Provokation? Die Hütte ist der Ort, an dem seine Tochter getötet wurde. Und „Papa“ – das ist doch lächerlich! Also bitte – Gott selbst?!
Was Mack an diesem „Wochenende mit Gott“ – so der Untertitel – erlebt, ist zutiefst verblüffend. Für ihn – und für alle, die sich als Leser oder Zuschauer darauf einlassen – geht es nicht darum, „was“ Gott ist und auch nicht „wie“ ER ist. Mack begegnet einem Gott der unbedingten Treue, der bedingungslosen Liebe. „Gott ist die Liebe“, heißt es im 1. Johannesbrief des NT, und die Liebe kann nicht „begriffen“, sie muss „erfahren“ werden. Gott als Liebe lebt Beziehung und lädt zu Beziehung ein. In der Erscheinung als Vater oder Mutter ist Er der, der alles im Blick hat; in der Gestalt Jesu ist Er der Begleiter, der Ermutiger, der unbedingt treue und verlässliche Freund; als nicht greifbarer und immer überraschender „Geist“ ein wahrer Therapeut, ein Heiler und Tröster, der dem Menschen ermöglicht, dem Leben zu trauen.
- Ein Wesen, drei Personen – diese Begriffe bzw. ihre Verwendung im Christentum sind das Ergebnis des Nachdenkens der Kirche des 4. und 5. Jahrhunderts über die Frage, ob der Eine Gott gleichzeitig „mehrere“ sein kann. Das kann für den, den das interessiert, eine durchaus spannende philosophisch-theologische Frage sein: Ein Gott, nicht mehrere, keine Konkurrenz, kein „Game of Thrones“ – und doch „mehrere“, denn wie ist das Konzept der Liebe sonst denkbar? Liebe, die den anderen – also uns – frei lässt und nicht braucht?
- Mack begegnet einem vielschichtigen, geheimnisvoll-anwesenden, unbedingt liebenden und treuen Gott, der ihn einlädt, in Seiner Gemeinschaft zu leben und zu vertrauen – tief zu vertrauen, dass das eigene Leben gewollt und gut ist. Und dass dieser Gott unentwegt Gutes hervorsprudeln lässt als einen Strom, der durch die Bosheit des Menschen höchstens verbreitert, aber niemals eingeschränkt wird.
Wenn Gott Gott ist, werde ich als Mensch nie restlos verstehen, wie und was ER ist – Begriffe wie „Wesen“ und „Person“, Bilder wie „Familie“ und „Kleeblatt“ mögen helfen und sind nötig, denn sie schärfen das Denken. Aber letztlich muss mir bewusst sein: Sie sind nicht mehr als das: Bilder und Begriffe!
Worum es geht ist der Sprung des Vertrauens – des Vertrauens, dass mein Leben gewollt und bejaht ist, seinen Sinn von einem anderen her bekommt und seine Erfüllung auch nur dort finden wird.
Das, was wir hier tun in der Liturgie, in Wort und Zeichenhandlung, ist ein Hinweis. Für den, der sehen will.
Für den, der Fragen hat. Wie Mack.
Amen.
Fürbitten
Im Heiligen Geist versammelt rufen wir durch unseren Herrn Jesus Christus, der immer bei uns ist, zum Vater:
- Lass uns als Deine Kirche immer tiefer begreifen und bezeugen, dass wir alle in Deiner Gemeinschaft leben und zur Liebe berufen sind.
(Du Gott der Liebe - Wir bitten Dich, erhöre uns)
- Gib uns ein waches Gespür dafür, wo Dein Heiliger Geist unseren Alltag begleitet und uns die Wege zeigen will, die wir in Deiner Nachfolge gehen sollen. (Du Gott der Liebe …)
- Stärke die Hoffnung derer, die sich einsam und verlassen fühlen, die keinen Sinn mehr im Leben sehen, deren Lebensperspektiven zerbrochen sind.
- Lass Deine Kirche auch in unserem Land, in unserem Bistum und unseren Gemeinden ein glaubwürdiges Zeugnis von der Liebe geben, die Du selber bist.
- Lass unsere Verstorbenen in der Gemeinschaft geborgen sein, in der Du lebst.
Denn wir glauben an Dich, den Vater, der mit dem Sohn und dem Heiligen Geist lebt, herrscht und uns liebt in alle Ewigkeit. Amen.