Das Vaterunser – oder: weiß ich mich getragen?


- Das Vaterunser – oder: weiß ich mich getragen?
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 17. Sonntag im Jahreskreis über unseren Vater zum Download.
Die Texte des 17. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C, die Lesungen (Gen 18, 20–32 und Kol 2, 12–14) und das Evangelium (Lk 11, 1–13), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„lehre uns beten!“ – diese Bitte der Jünger an Jesus ist aktuell. Oder andersherum: Menschen wissen zunehmend nicht, wie sie beten können. Es herrscht unter Christen eine zunehmende Sprachlosigkeit wenn es darum geht, einfach zu beten. Das Vaterunser als „Formel“ ist da immer wieder eine Hilfe – aber auch hier merke ich in den letzten Jahren: Viele können es nicht mehr. Bei Taufen, Hochzeiten, Erstkommunion und Beerdigung: Menschen bleiben stumm, ihr Wortschatz verfügt nicht über dieses Gebet!
- Das Vaterunser: Es ist nicht irgendein Gebet. Es ist DAS Gebet. Wenn ich mich ihm aussetze, wird es nicht langweilig. Im Gegenteil: Es fordert mich immer neu heraus, wenn ich jeder einzelnen Bitte nachgehe. Das kann ich hier in diesem Rahmen nicht. Ich beschränke mich auf den Anfang: Da ist ein Vater!
Was ich jetzt nicht tun will: Hier in irgendeiner Weise der Gender-Debatte Raum geben. Viele spüren da eine große Konfusion, Verunsicherung und spüren auch künstlich verhängte Sprachverbote. Wie so manch andere Theorie wird sie in ein paar Jahren in der Kuriositäten-Galerie der Geschichte zu finden sein. Nein, wovon ich sprechen möchte ist untermauert von meiner Erfahrung als Mensch und Priester. Und da weiß ich um die Bedeutung eines “Vaters“.
Vor einigen Tagen kam ich zurück vom großen „Fest des Lebens“ der Gemeinschaft Cenacolo, der ich angehöre. Eine italienische Ordensschwester gründete sie vor beinahe 40 Jahren und sie gab und gibt unzähligen meist jungen Menschen, die in die Welt der Sucht, der Droge und der Abhängigkeit gefallen sind, durch den Glauben ein neues Leben. Meist sind es ja diejenigen, die besonders sensibel sind, die einem Druck nicht standhalten und einer Sucht verfallen. In der Begleitung vieler dieser Menschen erfahre ich: Oft fehlte der Vater! Die Figur dessen, der den Rücken stärkt, der die Lust auf das Abenteuer des Lebens weckt, der die Grenzen des Lebens weiten hilft. Ich weiß, dass das jetzt alles sehr verkürzt klingt, und doch vertraue ich darauf, dass Sie alle wissen, was damit gemeint ist. Ja auch dann, wenn im eigenen Leben die Vaterfigur nicht so präsent oder sogar problematisch war. Wir wissen darum: Um die Figur des Vaters.
- Vater unser: Da ist einer, der mich trägt und hält, einer, dem ich – wie dem leiblichen Vater – meine Existenz verdanke. Kein „gütiges Universum“, kein „göttliches Prinzip“, sondern ein „Du“, einer, dessen Beziehung mir gegenüber Jesus nur mit dem Wort „Vater“ beschreiben konnte. Wie schön ist das!
Dieser Vater ist nicht nur „mein“ Vater, sondern ER ist „unser“ Vater. Wir gehören zusammen, nicht nur als Mitglieder der Gattung „Mensch“, sondern als diejenigen, die den gleichen Ursprung haben, gewollt, nicht zufällig! Diese Haltung gibt mir einen Stand im Leben, gerade auch dann, wenn es schwierig wird, ich Zweifel habe, Dunkelheiten ertragen muss. Ich bin als Person mit anderen auf dieser Welt unterwegs, ja auch dann, wenn mir der eine oder andere nicht passt. Das gibt es immer wieder. Da können sich auch Wege trennen – wie bei Abraham und Lot – aber niemals kann ich einem anderen die Lebensberechtigung absprechen. Mein Leben ist Geschenk – so wie das des anderen!
- Wenn Sie mit ehemaligen Drogenabhängigen und Suchtkranken zu tun bekommen, dann wissen Sie, wie ehrlich die Kommunikation wird, wie im Gespräch die Masken fallen – meine Masken, von denen ich immer wieder glaubte und glaube, dass ich sie brauche. Warum auch immer es so ist, dass viele von uns durch das Leben, die eigene Lebensgeschichte, ja auch die eigene Familiengeschichte verletzt wurden und sind – letztlich rettet mich nur das Wissen, nein: die Glaubenserfahrung, dass da ein Vater ist, der trägt und hält, der mich ermutigt, dem Leben dennoch zu trauen, mich dem Unbekannten auszusetzen, denn ER steht dahinter. Und vor mir machten und hoffentlich auch nach mir machen viele diese Erfahrung, dass es stimmt: Dass da ein Vater ist, mein, unser. Was wünschte ich mir auch hier bei uns in der Kirche, in den Gemeinden, dass wir anfangen würden, ehrlich miteinander zu sprechen, offen, ohne Masken, als Brüder und Schwestern. Dass das geht, habe ich in diesen Tagen wieder erfahren.
Mit diesen Gedanken stehe ich erst am Anfang eines Gebetes, das mich in noch ganz andere Tiefen führen will.
Amen.
Herr Jesus Christus, Du lädst uns ein zu bitten, da unsere Bitten die Türen des Herzens des Vaters öffnen können:
- Für alle, die verlernt haben zu beten: Lass sie erkennen, dass unser gemeinsamer Vater ein Gott ist, der jeden von uns mit Namen kennt und uns nahe sein will.
(Christus, höre uns - Christus, erhöre uns) - Wir bitten Dich für diejenigen, die aus Enttäuschung aufgehört haben zu beten: Hilf ihnen, am Willen des Vaters nicht zu verzweifeln.
- Wir bitten dich für diejenigen, die uns nahe stehen, die sich unserem Gebet empfohlen haben: Schenke ihnen das, was sie wirklich brauchen.
- Wir bitten Dich für die Menschen, die in diesen Wochen in Ferien sind: Schenke ihnen die Möglichkeit, in der Schönheit der Natur, in der Tiefe von Begegnungen und Gesprächen und auch in der Stille Deine Gegenwart zu erfahren.
- Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen: Lass an ihnen den Willen geschehen und rufe sie in die Gemeinschaft mit Dir.
Barmherziger Gott, denn Du bist ein Vater, der Seinen Kinder gibt, was sie brauchen. Dir sei Dank mit dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Amen.

Pfr. Nandkisore und die Homepage-BetreuerInnen wünschen Ihnen und Euch schöne Sommer(ferien), ob zu Hause, im Zeltlager oder in der Ferne!
Die nächste Predigt erscheint hier dann wieder zur Valentinuswallfahrt am 28. August 2022.