Das sehnsüchtige Warten der Schöpfung auf die Kinder Gottes
Die Texte an Allerheiligen des Lesejahres A, die Lesungen (Offb 7, 2–4.9–14 und 1 Joh 3, 1–3) und das Evangelium (Mt 5, 1–12a), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache. Die Predigt bezieht sich auf eine mögliche Lesung an Allerseelen (Röm 8, 14–23), die Sie online ebenfalls im Schott der Erzabtei Beuron finden.
Liebe Schwestern und Brüder,
Allerheiligen – das ist nichts Nebensächliches! Da geht es nicht einfach „um die anderen“, wer auch immer das sein soll. Da geht es um uns. Ich sehe das Fest als eine Ermutigung, ja einen Appell!
Mich lässt der Satz aus dem Römerbrief nicht los, den wir eben gehört haben: „Denn die ganz Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ (Röm 8,19). Alles, alles Lebendige wartet sehnsüchtig: Hier ist bildhaft gemeint, mit einem „langen Hals“ ungeduldig schauen, erwarten, dass endlich etwas eintritt. Was soll eintreten? Die „Offenbarung“, die „Apokalypse“ der Söhne, der Kinder Gottes! Diese Kinder Gottes sind schon da – aber die Schöpfung erkennt sie noch nicht. Sie müssen „enthüllt“ werden, als ob sie von einem Tuch bisher bedeckt worden sind.
Warum wartet die ganz Schöpfung so sehnsüchtig darauf? Weil die Mächte des Unheils so groß und zerstörerisch sind! Paulus nennt das das „Gesetz des Fleisches“: Für ihn ist das eine Macht, der der Mensch verfallen ist, wenn er nicht an Gott gebunden ist. Damit baut der Mensch nur auf seine eigenen Leistungen, sorgt sich um sich und seine eigenen Anliegen und das führt letztlich für alle zum Schaden – für die ganze Schöpfung!
Wenn doch endlich diejenigen, die den Namen Christi tragen, aus dem Schatten treten würden, sichtbar: das würde die Welt verändern!
- Das Fest Allerheiligen ist ursprünglich ein Fest der Christen in Rom: Im 7. Jahrhundert wurde das antike Pantheon, das allen heidnischen Göttern geweiht war, zur Kirche „der Maria und aller Heiligen“. Dafür wurden tausende Gebeine von Christen aus den Katakomben unter dem Pantheon vergraben. Sie galten als „Heilige“, denn sie waren Wegbereiter für den Durchbruch des Christlichen! Im Rom der Christenverfolgung haben sie standgehalten, haben beharrlich Zeugnis gegeben und so dazu beigetragen, dass unter Konstantin die große Wende geschehen konnte. Für ein solches Leben ist gar nicht viel nötig – einzig und allein die Entscheidung, eben nicht aus dem „Fleisch“ zu leben, sondern aus der Beziehung zu Gott! In anderen Worten hörten wir das am vergangenen Sonntag als es um das wichtigste Gebot ging: Gott lieben – Agape – eine Entscheidung, eine Lebenshaltung!
- In der vergangenen Woche war ich mit den Kiedricher Chorbuben während unserer Romfahrt auch bei der Papstaudienz. In allen Sprachgruppen richtete sich der Papst besonders an die anwesenden jungen Menschen, meistens Schüler, und verwies sie auf das heutige Allerheiligenfest. Es soll eine Ermutigung sein, Jesus durch das eigene Leben Einflussmöglichkeit zu bieten: „Denn die ganz Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“.
Jugendliche brauchen dafür Vorbilder, solche, die sie dazu ermutigen, Christus Raum zu geben. Wir sind es, die diese Vorbilder sein können, nein sind – meist mit einem Tuch bedeckt! Wie sehr die Schöpfung sehnsüchtig darauf wartet, dass wir uns zeigen, muss ich wohl nicht eigens betonen. Da genügt ein Blick in die Nachrichten, in die Zeitungen, in unseren Alltag. Wir sehen es, wir nehmen es wahr – und es fehlt oft der Mut, hier anders zu sein, zu denken, zu leben. Das ist aber letztlich die Existenzberechtigung einer christlichen Gemeinde: Dass wir uns stärken, ermutigen. Das findet nicht immer und unbedingt den Beifall der Gesellschaft – und damit sind wir wieder am Ursprung des Allerheiligenfestes: bei den Christen Roms. Nicht Anpassung war damals angesagt, sondern aus der Beziehung zu Christus ein „anderes“ Leben. Dieses andere Leben zeichnete sich gerade auch dadurch aus, dass sich die Christen für die unbedingte Würde eines jeden menschlichen Lebens einsetzten. Viele unterdrückte Menschen, denen das Lebensrecht abgesprochen wurde, warteten damals sehnsüchtig darauf, dass sich etwas ändern möge. Das hat es getan. Mit Folgen.
Das alles ist jedoch kein Selbstläufer und beinahe jede Generation von Christen muss diesen Sehnsuchtsruf der Schöpfung neu hören. Nicht nur in weit entfernten Gegenden der Welt, sondern gerade auch hier, bei uns.
Das heutige Fest ist nichts Nebensächliches. Es ist eine Ermutigung, ein Appell.
Amen.
Zu Christus, der uns einlädt, in Seinem Licht zu leben, bitten wir:
- Für die Menschen, die sich bemühen, aus dem Geist der Bergpredigt die Sorge Jesu zu teilen: für die Verkünder der Frohen Botschaft, für die Missionare und Ordensleute, für alle, die als Christen auf vielfältige Weise im Alltag Zeugnis geben.
(Du Quell der Heiligkeit – wir bitten Dich, erhöre uns) - Für diejenigen, die mit Liebe und Verständnis gerade in dieser Zeit der vielfältigen Krisen für andere da sind: in der Seelsorge, in den Pflegeberufen, in unseren Familien.
- Für die Menschen, die sich einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit unter den Völkern und Staaten; die Verantwortung dafür tragen, dass gerade die Schwachen und Benachteiligten Hilfe und Schutz erfahren.
- Für unsere Jugendlichen, die sich in diesen Tagen auf das Sakrament der Firmung vorbereiten: Dass wir sie auf dem Weg zur Heiligkeit ermutigen und ihnen selbst darin Vorbild sind.
- Für alle, die in diesen Tagen beim Gedenken an einen lieben verstorbenen Menschen trauern: Stärke sie alle mit der Botschaft Deiner Auferstehung.
- Für unsere Verstorbenen: dass in Deinem Licht ihre Heiligkeit erstrahlen möge.
Barmherziger Gott, mit allen Heiligen loben und preisen wir Dich durch Jesus Christus, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.