Das ist nicht gerecht – oder: wenn die Dankbarkeit fehlt
Die Texte des 6. Sonntages im Jahreskreis des Lesejahres A, die Lesungen (Sir 15, 15–20 und 1 Kor 2, 6–10) und das Evangelium (Mt 5, 17–37), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
„das ist nicht gerecht!“, sagen wir. Wer hätte diesen Satz nicht schon einmal gesagt!? „Das ist nicht gerecht!“ sagen wir und wir meinen damit: Jemand bekommt nicht das, was ihm zusteht; einer bekommt mehr als ein anderer; einer erntet den Lohn für die Arbeit eines anderen … Klar: Das ist nicht gerecht! Gerechtigkeit ist wichtig für ein friedliches Zusammenleben. Große Konflikte können entstehen, wenn in einer Gesellschaft nicht darauf geachtet wird. Die „Justitia“, die personifizierte Gerechtigkeit, hält eine Waage in der Hand, zudem sollten ihre Augen verbunden sein: Gerecht soll es zugehen, ausgeglichen.
Gerechtigkeit: Bekomme ich, was mir zusteht? So gesehen schreit Gott in der ganzen Heiligen Schrift fortwährend: „Das ist nicht gerecht! Ich erhalten nicht das, was mir zusteht!“ Wie das? Wenn wir von Gott sprechen: IHM gehört doch sowieso alles!?
Wenn wir das Denken der Heiligen Schrift – und damit auch das Denken Jesu – verstehen wollen, müssen wir wissen: Gerechtigkeit meint nicht zuerst, dass ich – oder jemand – Recht bekomme. Vielmehr meint sie: Ich – oder ein anderer – verhalte mich richtig! In der Beziehung zu einem anderen verhalte ich mich richtig: Unsere Beziehung, unser Bund, unsere Freundschaft, unsere Ehe, ein Versprechen verlangt, dass ich mich so und nicht anders verhalte. Das ist „richtig“ – das ist „gerecht“!
Was aber fordert Gott in der Heiligen Schrift, wenn Er durch die Propheten fortwährend sagt: „Der Mensch ist nicht gerecht!“? Er meint: Der Mensch verhält sich Ihm gegenüber nicht richtig. Der Mensch ist ungerecht, der Mensch lebt nicht die Gerechtigkeit.
Gottes Forderung an den Menschen: Sei Mensch – und lass mich Gott sein! Mehr noch: Lass mich DEIN Gott sein. Ein Mensch, so wie er von Gott gedacht ist, wie er erschaffen wurde, ist der, der sich an seinem Leben freut. Der das Leben schätzt. Und der Dem dankt, dem er das Leben ver-dankt! Kurzum: ein gerechter Mensch lebt die Dankbarkeit.
Das ist kein Kinderkram: Verstehen wir nicht falsch, was Pit und Paula heute den Kindern beibringen wollten. Lebe ich mein Leben so, dass ich alles zusammenraffe, was ich bekommen kann, oder sehe ich die unglaublichen Geschenke, die mich täglich umgeben – und handle entsprechend, nämlich „gerecht“?
Das ist es. Darum geht es im Christentum. Der Mensch lebt gerecht, wenn er in der Dankbarkeit lebt. Wenn die Dankbarkeit fehlt, passiert das, was Jesus im heutigen Evangelium sagt. Er sagte es damals und ER sagt es genauso heute, hier bei uns, mit den gleichen Worten und der gleichen Absicht: Wenn eure Gerechtigkeit nicht größer ist!
Unser Verhältnis zum Leben und der Schöpfung; unser Umgang mit den Menschen unserer Umgebung, den Freunden und Partnern; der Umgang mit Konflikten: In all dem zeigt sich, um welche Mitte wir kreisen. Es zeigt sich, ob wir Menschen sind, die Gott vertrauen, oder solche, die die eigenen Geistesblitze für heilig halten.
- Die Dankbarkeit als Schlüssel der Heilung. Die zentrale Feier der Kirche heißt „Feier der Dankbarkeit“, Eucharistiefeier. Sehr konkret wird immer wieder versucht, unseren Blick darauf zu richten, wer und was wir sind: Gute und geliebte Geschöpfe Gottes. Unsere Antwort darauf, unsere Gerechtigkeit, kann nur Dankbarkeit sein. Ist sie nicht da, erkennen wir: Da ist etwas schief!
Das passiert immer wieder. Deswegen sind wir als Gemeinschaft, die Kirche, unterwegs: Da hakt einer den unter, dem die Dankbarkeit gerade nicht möglich ist, der leidet, Dunkelheit durchlebt.
Einem anderen zu helfen, gerecht zu werden: Im biblischen Denken eine der wunderbarsten Aufgaben des Menschen. Hier ist auch der Schlüssel, ob wir als Gemeinde auf dem Weg bleiben: Ob wir die Gerechtigkeit leben.
Amen.
Gott, den allmächtigen Vater, der uns durch Seinen Sohn die Frohe Botschaft verkünden ließ, bitten wir:
- Wir bitten dich für Deine Kirche, dass sie in Wort und Tat wieder neu ein Zeugnis geben kann, das den Menschen Hoffnung und Zuversicht schenkt.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Wir bitten Dich für unsere Gemeinde: Hilf uns, dass wir einander zur Dankbarkeit ermutigen, und besonders denen nahe sind, die Dunkelheit erleben.
- Wir bitten für Dich in diesen Tagen besonders für die vielen leidenden Menschen in Syrien und der Türkei: Lass sie in ihrem Leid, der Trauer und der Verzweiflung erfahren, dass ihnen geholfen wird, das sie getragen und getröstet werden.
- Wir bitten Dich für die Kinder unserer Gemeinde: Hilf ihnen, der Dankbarkeit in ihrem Leben einen Raum zu geben und stärke sie so auch für alle Stürme, die sie im Leben zu bestehen haben.
- Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen (für….), dass sie bei Dir die Vollendung ihres Lebens erfahren dürfen.
Denn in Deinem Sohn schenkst Du uns alles. Dir sei Dank, der du mit Ihm und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.