Das Geschenk des Lebens


- Das Geschenk des Lebens
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 26. Sonntag im Jahreskreis über das Geschenk des Lebens zum Download.
Die Texte des 26. Sonntags im Jahreskreis des Lesejahres C, die Lesungen (Am 6, 1a.4–7 und 1 Tim 6, 11–16) und das Evangelium (Lk 16, 19–31), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
genau das ist es doch, was der Religion und besonders dem Christentum vorgeworfen wird: Dass Angst geschürt wird! Wenn der Mensch sich nicht in der gewünschten Weise verhält, dann muss er mit Strafe rechnen – mit der Strafe im Jenseits! Da man sich so gesehen ja niemals wirklich sicher sein kann, nach der Regel gelebt zu haben und zu leben, bleibt mindestens das schlechte Gewissen, bei sensibleren Gemütern auch die Angst. Da ist es doch verständlich, wenn manche sagen: „Mit Gott und Religion habe ich nichts (mehr) zu tun, ich lebe im Hier und Jetzt und das in der Weise, die ich vertreten kann.“
- Es sind sicher auch Evangelien wie das eben Gehörte, die zu einer solchen Haltung beigetragen haben: Arm – reich; gut – schlecht; Himmel – Hölle. Ganz einfach, oder? Bei denjenigen, die zu uns in den Gottesdienst kommen, gehört wohl kaum jemand zur Kategorie „Lazarus“. Eher sind wir dem Reichen nahe, haben wir doch Tisch, Bett, Brot und Sicherheit.
- Wieder ist es der Evangelist Lukas, der uns als einziger der Evangelisten dieses Wort Jesu überliefert. Immer wieder überrascht er mit einem Wort Jesu, das andere nicht berichten. Worte, die radikal sind; Worte, die beunruhigen; Worte, die die Kraft haben, mich zum Nachdenken anzuregen, ja mich in Frage zu stellen. Aber: Wenn sie das nicht könnten, wären sie nicht Gottes Wort. Und: Diese Worte sind „Eu-angelion“, Gute Botschaft, Frohe Botschaft. Das ist für mich die Grundvoraussetzung, dass ich sie mit anhöre. Deswegen stelle ich mich auch diesem Wort:
- Jesus beschreibt in dem Gleichnis eine Situation Seiner Zeit in Galiläa: ein krasser Gegensatz zwischen arm und reich. Lazarus heiß übersetzt „Gotthilf“ – sein Name steht dafür, dass Gott parteiisch ist, auf der Seite derer zu finden ist, die die Freude am Leben kaum finden können, die Freude am Geschenk Gottes schlechthin: dem Leben!
Wenn ich also ein Freund, eine Freundin Jesu sein möchte, dann geht das nur, in dem ich Seinen Blick einnehme: Und damit diejenigen in den Blick nehme, die das Geschenk Gottes, das Leben, nicht sehen können.
- Und damit bin ich – überraschend! – beim Reichen des Evangeliums: Luxus pur. „Vor seiner Tür“ heißt es, liegt Lazarus. Das beutetet, er hatte ein Torhaus vor seinem Besitz, er war abgegrenzt, abgeschottet. Er weiß gar nicht, was vor seiner Tür geschieht, es interessiert ihn wohl auch wenig. Er übersieht wohl nicht nur den Lazarus – er übersieht vieles andere ebenso, sonst würde er in der Erzählung nach seinem Tod nicht in der Schattenwelt landen, ohne einen eigenen Namen!
Ja, Jesus ist radikal und anstößig: Er sieht in Seiner Erzählung den Reichen mindestens so sehr wie den armen Lazarus, ER sieht, dass der Reiche in einer viel größeren Gefahr schwebt: Er kennt nur sich und seine Lüste!
- Nein, das Evangelium wäre völlig missverstanden, wenn wir uns hier auf die Thematik einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits fokussieren würden. Es geht um das Leben hier und jetzt: Es geht um das Leben, dass der Reiche hier haben könnte: In der Verbindung mit dem Leben um sich herum ohne Angst, sich abschotten zu müssen; befreit zu der Erfahrung (!), dass nicht Purpur und feines Leinen glücklich machen, sondern ein Leben im Dienst und Nutzen für andere – wie einen Lazarus! Ein Leben, das mit Gott rechnet, mehr noch: das mit Ihm in Beziehung lebt, mit Seiner Gegenwart rechnet. Nur ein solches Leben ist Leben, das uns Jesus wünscht!
- Ob es ein Leben nach dem Leben gibt (als Christ ist das für mich keine Frage!) oder nicht, darüber lässt sich endlos streiten. Was einen Unterschied machen kann und macht ist das Zeugnis von Menschen, die hier und unter uns die Chance eines Lebens mit Gott ergriffen haben. Die befreit wurden von der Angst um sich selbst; die befreit wurden von der Traurigkeit; die entdeckt haben, wie wertvoll sie in den Augen Gottes sind und die das Steuer ihres Lebens Christus übergeben haben. Sie wissen, dass die Treue Gottes ewig hält! In ihrer Gegenwart blüht das Leben anderer auf – und nicht nur das eines Lazarus!
Was wünsche ich mir, dass wir das hier noch mehr miteinander erfahren würden. Kirche würde ganz andere Schlagzeilen machen …
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns durch Seine Gegenwart heilen möchte, bitten wir:
- Für Deine Kirche weltweit: Hilf ihr, den Armen und Bedürftigen zur Seite zu stehen und ihnen so eine Stimme zu geben.
(Christus, höre uns - Christus, erhöre uns) - Gerade in diesen Wochen der Angst um die Kosten der Energie bitten wir um einen aufmerksamen Blick für die Nöte derjenigen, die finanziell an ihre Grenzen geraten und um die Bereitschaft, mit unseren Möglichkeiten auch als Gemeinde zu helfen.
- Für uns alle, deren Lebensgeschichte auch eine Geschichte des Versagens, der Angst und des Misstrauens Dir gegenüber ist: Befreie uns durch Deine Vergebung zu einem neuen Leben und lass uns davon Zeugnis geben.
- Für die, die unheilbar krank sind und für die, die auf das Sterben zugehen: Stelle ihnen treue Begleiter an die Seite, die ihnen Deine Gegenwart und Sorge erfahrbar machen.
- Für unsere Verstorbenen: Lass sie bei Dir die Gemeinschaft erfahren, auf die sie im Leben gehofft haben.
Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit.
Amen.
