Brotvermehrung – oder: lassen wir uns befreien?
Die Texte am 17. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres B, die Lesungen (2 Kön 4, 42–44 und Eph 4, 1–6) und das Evangelium (Joh 6, 1–15), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
ich erinnere mich gut daran, wie ich vor mehr als 30 Jahren meine erste Predigt zu diesem Evangelium hielt. Ich war noch nicht lange zum Diakon geweiht und verbrachte einige Monate in einer Pfarrei.
Das Brotwunder des heutigen Textes und die daran anschließende Rede Jesu über Ihn als das „Brot des Lebens“ werden uns in den nächsten Wochen begleiten und sollen verdeutlichen, wer nach den Evangelien Christus in Seinem Selbstverständnis ist. Damals bezog ich mich in meiner Predigt auf ein modernes Kirchenlied, in dem es heißt: „Wenn jeder gibt, was er hat, dann werden alle satt“! Ich meinte, dass diese Interpretation wohl kaum den Kern dessen treffen würde, den uns der Evangelist Johannes als Gottessohn vorstellen möchte.
Nach dem Gottesdienst erlebte ich einen sehr aufgebrachten Pfarrer, der mir vorwarf, den Wert des Teilens im Sinne Jesu nicht in rechter Weise gewürdigt zu haben. Für ihn bestand der Wert dieses Textes auch darin, dass Menschen zu einer Gemeinschaft zusammenfinden und Grenzen von Mein und Dein überschreiten.
Dieser Pfarrer war vor seiner Priesterweihe Sozialarbeiter und ich verstand, was ihm wichtig war. Gleichzeitig spürte ich allerdings auch, dass mir in seiner Sicht etwas Wesentliches, ja Entscheidendes fehlte.
Heute kann ich dieses Fehlen noch deutlicher benennen: Es ist die Reduzierung der christlichen Botschaft und des kirchlichen Engagement auf das rein Sozial-Caritative, die für mich oft schmerzlich ist! Bitte nicht missverstehen: Dass wir uns als Christen und als Kirche für die Nöte und die Bedürfnisse der Menschen einsetzen, gehört zum Wesenskern der Botschaft Jesu. Doch geht es um mehr – um viel mehr!
Wie der Wortlaut dessen war, was Jesus die Menschen damals am See von Galiläa lehrte, dass wissen wir nicht. Aber wir kennen doch den Inhalt: Es wird sich nicht von dem unterschieden haben, was Er an anderer Stelle im Evangelium auch sagt. Und dabei geht es um das Vertrauen gegenüber dem Vater, der sich sorgt. Um jeden. Um jede.
Diese Sorge wird deutlich in der Brotvermehrung. Schon damals wurde das große Missverständnis sichtbar: Einen solchen König brauchen wir! Er gibt, was benötigt wird. Damit geht es uns allen gut. Das wäre für uns eine ideale Welt. Aber das wäre eine Phantasiewelt!
In Jesus rückt Gott uns näher, als es ein Mensch je können wird. Das wird schon beim Propheten Jesaja ausgedrückt: „Wie der Bräutigam sich freut über die Braut, so freut sich dein Gott über dich“ (62,5). Können wir uns das Bild vorstellen? Ich bin bei dir, gehe mit dir durch dick und dünn, du bist nicht allein und du wirst es nie sein – auch nicht im finsteren Tal oder im Schatten des Kreuzes. Denn das wird, warum auch immer, hier zum Leben dazugehören. Wir mögen deswegen unsere Anfragen haben und auch ich habe sie. Und doch gilt: Wir sehen nur einen winzig kleinen Teil des Ganzen und auch nur einen Teil unseres eigenen Lebens in all seinen Bezügen und Beziehungen. Und auf diesem Weg möchte ER da sein, dabei sein, mittendrin, damit ich, damit wir nicht die Hoffnung verlieren, wenn anscheinend kein Brot mehr da ist, das uns ernähren kann.
Wie ER Seine Nähe zeigen wird, ist immer unterschiedlich und es kann sicher auch passieren, dass Menschen durch einen Impuls dazu bewegt werden, mit anderen fremden Mitmenschen das Brot zu teilen. Letztlich soll uns all das aber dazu führen, dass wir neu das kindliche Staunen darüber lernen, wie sehr ER bemüht ist, uns zum Vertrauen zu befreien.
Im Evangelium heute heißt es beinahe nebenbei: „Das Pascha, das Fest der Juden, war nahe!“ (6,4). Pascha – das Fest der Befreiung aus der Sklaverei, der Unfreiheit, der Gängelung und Ängste.
Das Fest der Freiheit, in die Gott uns führen will, ist wiederum ganz nahe: Es liegt an jedem Einzelnen von uns, ob wir uns darauf einlassen können und wollen. Jetzt wäre dazu wieder eine wunderbare Gelegenheit.
Amen.
(Die nächste Predigt von Pfr. Nandkisore erscheint vorraussichtlich zum 25. August 2024)
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns zur Freiheit des Evangeliums einladen will, bitten wir:
- Lass uns als Gemeinde mehr darauf vertrauen, dass Du selbst durch uns wirken willst, gerade dann, wenn wir nicht wissen, wie es weitergehen soll.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Lass Deine Kirche nicht müde werden, den Hungernden und Bedürftigen nahe zu sein und ihnen tatkräftig zu helfen, so dass sie auch durch unsere Sorge Deine Nähe spüren können.
- Wir vertrauen Dir unsere jungen Menschen an, die in diesen Tagen und Wochen ein Studium, eine Ausbildung oder ein freiwilliges soziales Jahr beginnen: Hilf ihnen danach zu fragen, welchen Plan Du für ihr Leben hast.
- Wir bitten für diejenigen, die in diesen Wochen Erholung suchen und für unsere Ministranten auf ihrer Wallfahrt nach Rom: Lass sie dabei mit der tiefen Sehnsucht ihres Lebens in Berührung kommen und hilf ihnen, Vertrauen in Dich zu lernen.
- Wir bitten auch für unsere Toten: Lass sie bei Dir ewiges Leben finden.
Du sättigst unseren Hunger nach Leben, der Du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit.
Amen.