Advent – oder: anders leben
Die Texte am 1. Adventssonntag des Lesejahres C, die Lesungen (Jer 33, 14–16 und 1 Thess 3, 12 – 4, 2) und das Evangelium (Lk 21, 25–28.34–36), finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
Liebe Schwestern und Brüder,
Advent, eine Zeit, in der wir etwas, besser: jemanden, erwarten. Ist das so? Und wenn das so ist: Was bedeutet das für mein Leben?
Wir hörten eben als Lesung einen Abschnitt aus der ältesten Schrift, die wir vom Apostel Paulus, ja dem ganzen Neuen Testament haben, aus dem 1. Brief an die Gemeinde in Thessaloniki. Dort heißt es: „Ihr habt von uns gelernt, wie ihr leben müsst, um Gott zu gefallen“! Sehr konkret beschreibt er das Miteinander innerhalb der Gemeinde und wir mögen uns wundern, wie er auf diese Themen kommt: Heiligung des Leibes, gerade in der Ehe; in Handelsgeschäften nicht betrügen; rechtschaffen leben und gegenüber den Toten mit dem Wissen leben, dass sie bei Gott sind. Typisch katholisch? Typisch leibfeindlich? Regeln und Verbote?
Mir gingen diesbezüglich vor wenigen Jahren die Augen auf, als ich während meiner Sommerferien seit langer Zeit wieder einmal die Ausgrabungen von Pompeji besuchte. Großartig, wie hautnah wir da an das Leben der Antike herankommen – und an das, was im dortigen Leben und Alltag „normal“ war: Promiskuität und Hedonismus waren allgegenwärtig und wer einmal darauf achtet, der begegnet überall den Spuren davon. Ich stelle mir vor, wie Paulus, fromm und gesetzestreu, in einer griechisch-römischen Stadt wie Thessaloniki darauf reagiert haben mag: Es muss ein Kulturschock gewesen sein – vergleichbar mit dem Kulturschock, den wir erleben, wenn wir heute in ein asiatisches oder afrikanisches Land fahren. Thessaloniki lag an der Via Egnatia, dem Hauptverbindungsweg zwischen Rom und Byzanz (heute eher als Konstantinopel bzw. Istanbul bekannt). Die ganze bunte Kultur und Dekadenz des Römischen Reiches war dort versammelt. Die Botschaft von Jesus Christus, die auf der jüdischen Sicht des Menschen und seiner Gottebenbildlichkeit fußt, die Würde des Menschen und des menschlichen Leibes, die Ehe als Abbild Christi und Seiner Kirche – in welchem Kontrast stand das zu dem, was Paulus dort vorfand. Schon in der ältesten Schrift des Neuen Testaments wird also klar: Christentum ist nicht einfach eine Sache des Kopfes, eine „Privatsache“, wie wir heute sagen würden, die nach außen nicht oder kaum sichtbar wird und mit der wir einen anderen nicht behelligen wollen – soll doch jeder nach seiner Façon selig werden! Nein, Christentum ist die Erkenntnis, dass ich mit Christus lebe, in Gemeinschaft mit Ihm. Wenn ich das weiß, erfahre, dann prägt das den Alltag, dann ändert er sich.
Bei den frühen Christen war es auf jeden Fall so – die Gesellschaft wurde auf sie aufmerksam. Und letztlich setze sich dieses Lebensmodell durch.
- Advent: Ich lebe im Blick auf Den, der ankommt in meinem Leben und Alltag.
Wie die Christen damals, die anders lebten, sonst wäre die Botschaft nicht über die Jahrhunderte zu uns gelangt, so sind wir heute wieder ganz neu gefordert, diese Einladung anzunehmen. Ganz neu deswegen, weil in den letzten Jahren das volkskirchliche Klima so sehr verdunstet ist, dass es eben nicht mehr „normal“ ist, als Christ zu leben – anders zu leben.
Was bedeutet es heute, anders, also als Christ zu leben?
Im Pfarrgemeinderat ist uns vor einer Woche deutlich geworden, dass wir bei den Fragen rund um den Tod beinahe zu Exoten geworden sind! Uns zeichnet nicht einfach nur eine Hoffnung aus, sondern – wie es Paulus sagt – ein „Wissen“ darum, dass unsere Verstorbenen nicht weg, sondern angekommen sind, dass sie „erwartet“ wurden. In aller Trauer lässt uns das am Leben ganz neu teilnehmen.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach der Frage, warum ich da bin: Das ist nicht „Zufall“, sondern gewollt! Ich bin in das Leben „hineingeliebt“ und daran misst sich mein Wert – nicht daran, wie erfolgreich, mächtig oder produktiv ich im Leben bin und oder war.
Angesichts der Katastrophen und Erschütterungen, die uns täglich gemeldet werden und die uns verunsichern können: Von ihnen spricht Jesus auch im heutigen Evangelium. Aber Er sagt auch, dass darin Christus selbst nicht fern ist, dass wir nicht in Angst versinken, sondern unsere Häupter erheben sollen. Das ist keine Flucht vor der Realität – das ist die Fähigkeit, mehr zu sehen.
Advent: Er sollte nicht einfach nur „gemütlich“ sein – er kann eine Zeit werden, in der wir wieder beginnen, „anders“ zu leben.
Amen.
Lasst uns zum Beginn des neuen Kirchenjahres den Herrn bitten, dass er ankommen möge in unserem Leben, in unserer Kirche und dem Leben der Welt:
- Wir bitten Dich für alle Getauften, dass wir in unserem Reden und Handeln bezeugen, dass wir „anders leben“, dass wir Dir nachfolgen: in den Aufgaben, die vor uns liegen; gegenüber den Menschen, denen wir begegnen; in der Zeit, die wir leben.
(Komm, Herr Jesus – komm, Herr Jesus) - Wir bitten dich in diesen Wochen der Vorbereitung inständig darum, die Kräfte des Friedens und der Versöhnung zu stärken, um so das zu verwirklichen, was uns Menschen nicht zu gelingen scheint.
- Für alle Menschen, die sich in der Sorge um die Zukunft verlieren; für die, die einsam sind und sich nach Freundschaft und Nähe sehnen; für die, die sich ängstigen und für die, die trauern – lass sie entdecken, wie nahe du ihnen bist.
- Wir bitten Dich besonders für die jungen Menschen, die das Überleben der Schöpfung und das Wohl der Menschheitsfamilie umtreibt: Lass ihren Schrei in unserer Gesellschaft nicht ungehört verhallen.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass die Frohe Botschaft an ihnen in Erfüllung gegangen ist.
Du bist uns nahe und wirst wiederkommen, um die Welt zu vollenden. Wir danken Dir, der Du mit dem Vater und dem Geist lebst und uns liebst in alle Ewigkeit.
Amen.