"Wie wir von Gott sprechen"
Liebe Schwestern und Brüder,
wie können wir lernen, so von Gott zu sprechen, dass es die Menschen anrührt? Denn im Advent geht es doch darum, dass ER ankommt: bei den Menschen. Das gelingt aber nur, wenn die Menschen merken, dass ER ihnen etwas zu sagen hat, dass sie tief berührt und damit verwandelt.
- Von Johannes dem Täufer haben wir im Evangelium gehört. Eine herbe Gestalt, sperrig, in der Wüste tritt er auf, also dort, wo das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten seine intensivste Zeit mit Gott erlebt hatte. Das ist lange vorbei. Und das klagt Johannes an, das schreit er heraus. Er schreit an gegen die Vertreter von Religion, die in Behäbigkeit und Selbstgerechtigkeit verfallen sind. Von ihnen ist alles zu Ende gedacht und erklärt, es geht nur noch darum, das zu bewahren, was sie als Tradition bezeichnen. Wie anders sah das noch unter dem Propheten Jesaja aus, von dem wie in der 1. Lesung hörten: Da geht von Israel eine Strahlkraft aus, die andere Völker fasziniert, die sie nach Jerusalem strömen lässt, denn dort ist etwas zu finden, was sie zutiefst ersehnen.
„Schlangenbrut“ nennt Johannes die Vertreter der religiösen Obrigkeit – das Gift, das von ihnen ausgeht, hindert die Menschen daran, Religion so zu leben, wie sie von Anfang an gedacht war: Als Ausdruck der Beziehung gegenüber Dem, der mich, uns aus Liebe ins Leben gestellt hat und mich durch dieses Leben begleiten will. Wo Religion nur noch verwaltet und reglementiert, hat sie ihre Lebendigkeit, vor allem ihre Relevanz verloren. Davon wird niemand mehr angerührt!
- So gesehen ist das Anliegen des Johannes sehr modern. Auch wir haben zunehmend genug von einer Religion, die vor allem verwaltet – und dann vor allem auch so wahrgenommen wird: Als Dienstleister! Menschen haben den Eindruck, dass äußeres Tun die innere Haltung ersetzt – das mag nicht immer so sein und dem Einzelnen auch Unrecht tun – aber mehrheitlich wird es doch so wahrgenommen. Erwarten wir Gott? Bekennen wir Sein Wirken hier bei und unter uns? Wo können wir Früchte einer solchen Überzeugung wahrnehmen? Pharisäer, Schriftgelehrte – es scheint leicht, sie heute mit Bischöfen, Priestern und Theologen zu identifizieren, aber wer ehrlich mit sich selbst ist, kann es sich so leicht nicht machen!
- Zurück zu Johannes: So leidenschaftlich und ehrlich sein Eintreten für Gott auch ist – sympathisch ist es nicht! Da ist nichts Faszinierendes oder Anziehendes. Sein Sprechen von Gott ist, zumindest meinem Empfinden nach, abstoßend: Die Axt wird an die Bäume gelegt; da wird umgehauen, wo keine Früchte sind, ins Feuer geworfen, das nie erlischt.
Solche Sprache kennen wir nur von religiösen Fanatikern.
Johannes hat offensichtlich keine andere Sprache gelernt. Sein Anliegen war edel, seine Sprache war es nicht. Diese neue Sprache wird erst Jesus bringen, was nicht heißt, dass wir sie heute sprechen würden!
Auch ich kenne das Denken – und dann logischerweise auch das Sprechen – in den Kategorien von Lohn und Strafe, von gut und böse. Das haben wir so gelernt – wie Johannes.
Wenn wir die Generation befragen, die im und nach dem Krieg aufgewachsen ist, was sie über die Sprache der Zärtlichkeit, der Liebe und Wertschätzung wissen, dann höre ich oft: Als Kind haben wir das nicht gelernt. Wir vergessen oft, dass erst die Revolution der 68er das Sprechen und Äußern von Emotionen in der Öffentlichkeit ermöglichte. Wir sind heute noch dabei, diese Sprache zu lernen – Jugendlichen fällt es z.B. leichter, in einem fremdsprachlichen Lied Gefühle ausdrücken, als in einem Lied mit deutschem Text. Johannes hat es in seiner Sprache auch nicht gelernt, anders über Gott zu sprechen.
„Kirchenentwicklung“ – da gehört dazu, dass wir anders sprechen lernen, nicht nur in der Kirche. Das geht nur über persönliche Erfahrung, ein persönliches Zeugnis. Ein solches Zeugnis hat mir die italienische Ordensschwester Elvira gegeben, die Gründerin von Cenacolo: Mit ihrem Sprechen von einem grundgütigen und nicht verurteilenden Gott hat sie die Herzen so vieler junger Menschen erreicht, die ihr Leben als nicht wertvoll betrachtetet, die es wegwerfen wollten. Diese jungen Menschen wurden dann selbst zu Zeugen. Mir haben sie gezeigt, dass das Sprechen von einem liebenden Gott nur so geht: authentisch! Dann werden wir merken, wie groß das Bedürfnis danach ist. Advent. Amen.
Fürbitten
Im Advent wollen wir auf das schauen, was wir erwarten und auf den, der Sein Kommen angekündigt hat:
- Herr Jesus Christus, schenke uns in diesen Wochen des Advent den Mut, Deinen Traum von einem neuen Miteinander in unserem Denken, Sprechen und Handeln in unserem Alltag zu verwirklichen.
Komm, Herr Jesus – komm, Herr Jesus
- Lass Deine Kirche in unserer Welt Sauerteig Deines Wortes sein und hilf allen Christen, durch ein neues Sprechen gerade den Armen und Ausgeschlossenen Deine Nähe glaubwürdig zu bezeugen.
- Lass diejenigen, die in diesen Tagen und Wochen unter dem Verlust eines geliebten Menschen leiden, die einen Schicksalsschlag erlebt haben oder die durch eine Krankheit entmutig sind, erfahren, dass Du um sie weißt.
- Herr Jesus Christus, schenke uns in diesen Wochen des Advent den Mut für Ruhe und Stille, damit wir unsere tiefe Sehnsucht nach Leben und Sinn wahrnehmen können, eigenes Versagen benennen und Masken ablegen können.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, dass Deine Frohe Botschaft an ihnen in Erfüllung gegangen ist.
Du bist der, der vom Vater in unser Fleisch gekommen ist, mit dem Du in der Einheit des Heiligen Geistes lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.