„Für wen haltet ihr mich“ – Die innere Haltung ist entscheidend


- „Für wen haltet ihr mich“ – oder: Die innere Haltung ist entscheidend
Predigt von Pfr. Dr. Robert Nandkisore am 12. Sonntag des Jahreskreis über die eigene Haltung zum Download.
Die Texte des 12. Sonntags des Jahreskreis des Lesejahres C der Lesungen (Sach 12, 10–11; 13, 1 und Gal 3, 26–29) und das Evangelium (Lk 9, 18–24) finden Sie online im Schott der Erzabtei Beuron oder auch bei Evangelium in Leichter Sprache.
für wen haltet ihr mich?
Jesus im heutigen Evangelium Lukas 9, 18–24
Liebe Schwestern und Brüder,
stellen wir uns dieser Frage Jesu. Sie ist an jeden und jede einzelne von uns gerichtet und sie ist nicht nebensächlich. Im Gegenteil: Die Antwort, die wir geben, bestimmt, was aus der Kirche hier bei uns wird.
- Die Bertelsmann-Studie über den Glauben der Deutschen hat vor einem halben Jahr ergeben, dass ein nicht geringer Teil der Katholiken, die sich der Kirche noch zugehörig fühlen, nicht daran glaubt, dass Jesus Gottes Sohn ist. Was auch immer die Gründe dafür sind: Die Folgen sind sichtbar, sie sind spürbar. In der Öffentlichkeit wird Kirche vor allem noch als Skandalverein wahrgenommen, um Glaubwürdigkeit bemüht. Um welche Glaubwürdigkeit? Worum geht es uns? Um den Menschen und seine Bedürfnisse? Das ist schön, das teilen wir mit vielen anderen Vereinen und Organisationen. Was macht uns denn besonders oder einmalig? Oder anders: Warum sollten sich Menschen mehr als nur ehrenamtlich dafür engagieren? Es spricht für sich, dass es in unserem Bistum nur noch zwei Seminaristen gibt, die sich darauf vorbereiten, vielleicht Priester zu werden.
- Für wen haltet ihr mich? Die Jünger erleben Jesus in unterschiedlichen Situationen: Beim Predigen, beim Heilen oder – wie wir an Fronleichnam hörten – bei einer wunderbaren Brotvermehrung. Wer ist ER? An ihm scheiden sich die Geister. Das ist heute nicht anders. Worum geht es Jesus mit Seiner Frage? Braucht ER eine Bestätigung? Menschlich gesehen wäre das verständlich, aber es geht doch hier um viel mehr!
Jesus sammelt Menschen um sich. Aus einem ganz bestimmten Zweck heraus. Die Kirche hat sich von Anfang an als verstanden, als Versammlung derer, die „herausgerufen“ sind. Wozu sind sie den herausgerufen? Nicht einfach nur, um bei Ihm zu sein und nur auf Ihn zu schauen. Nein, es geht Jesus um Menschen, die mit Ihm auf die Welt schauen, wie Er sie sieht! Menschen, die Seine Sorge, Sein Anliegen teilen, denen daran gelegen ist, dass ER wirklich „Heiland“, „Retter“ sein kann. ER braucht Menschen, die bereit sind, Ihn handeln zu lassen und sich Ihm dabei mit ihrer ganzen Person zur Verfügung stellen. Wenn ER für mich nur Jesus ist, ein vorbildlicher Mensch, werde ich mehr schlecht als recht versuchen, mich von Ihm in meinen Handlungen und Haltungen inspirieren zu lassen. Ist ER aber wirklich der Gottessohn, dann bin ich bereit für Wunder, wie sie damals auch die Jünger erlebten: Für all das, was geschehen kann, wenn ER da ist!
- Das alles klingt theoretisch. Das alles weiß ich, seitdem ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Gegenwart Jesu die Welt aus den Angeln hebt! Als ich eine italienische Ordensfrau kennenlernte, die nichts weiter als ihren guten Willen hatte, Jesus durch sich wirken zu lassen. Sie vermochte es so, tausenden jungen Menschen, die in der Welt der Drogen gefangen waren, ein neues Leben zu ermöglichen. Ein Leben, in dem der Glaube einen wichtigen, ja entscheidenden Platz hat. Vor einigen Jahren durfte ich für einige Monate dort mitleben und das hat mein Leben verändert: Ich erlebte Menschen, die nichts weiter als „fünf Brote und zwei Fische“ hatten, wie wir es an Fronleichnam hörten, Die aber darauf vertrauten, dass Jesus daraus das machen kann, was hier und jetzt benötigt wird. Wenn ich ihnen all die Geschichten erzählen würde, die ich dort erlebte, würden sie das vielleicht als Märchensammlung abtun. Aber es ist dennoch wahr. Und seitdem habe ich begriffen, dass es nicht egal ist, ob Menschen Jesus als besondere Person oder als Gottessohn betrachten. Denn meine innere Haltung ist ganz entscheidend: Sie ist die Einladung an Jesus, durch mich handeln zu dürfen oder nicht. Er respektiert unsere Freiheit. Er zwingt nicht. Aber wer sich Ihm überlässt – und Namen wie Mutter Teresa, Don Bosco, Katharina Kaspar oder eben die italienische Ordensschwester Mutter Elvira stehen exemplarisch dafür – der erlebt, wie Jesus genau so konkret handelt und wirkt, wie es auch die Jünger am See von Galiläa erlebten.
Eine solche Kirche hätte auch bei uns Zukunft. Sie wäre der Ort der Zuflucht und der Heimat für so viele, die in unserer Gesellschaft unter die Räder geraten. Ob wir einer solchen Kirche Raum geben, hängt ganz entscheidend davon ab, wie wir die Frage Jesu an uns beantworten: Für wen hältst du mich?
Amen.
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns einlädt, das Leben in Seiner Gemeinschaft zu wagen, bitten wir:
- Lass uns als Deine Gemeinde erfahren, dass Du dann durch uns handelst, wenn wir Dir, dem Gottessohn, dafür Raum bieten.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns) - Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Sicherheit und Schutz, sie brauchen Vorbilder und sie brauchen Menschen, die ihnen von Deiner Liebe erzählen. Wir bitten Dich: Lass sie auch durch unser Reden und Tun Deine Nähe erfahren und so das Vertrauen lernen.
- Lass unsere Bereitschaft zu Frieden und Versöhnung dazu beitragen, dass in der Ukraine und allen Orten, an denen Kriege herrschen, der Hass und der Wille zu Vernichtung nicht die Oberhand gewinnen
- Lass uns besonderes denen Deine Freundschaft verkünden und Gegenwart bezeugen, deren Leben von Leid, Krankheit, Einsamkeit und Versagen gezeichnet sind.
- Wir bitten Dich auf für diejenigen, die sich aus Enttäuschung über die Kirche von Dir und Deinem Wort entfernt haben: Lass sie glaubwürdigen Zeugen begegnen, die ihr Vertrauen in Dich neu stärken können.
- Du schenkst das ewige Leben: Wir bitten Dich für unsere Verstorbenen, dass Du sie aufnimmst in Deine Gemeinschaft.
Denn mit Dir sind wir auf dem Weg zum Vater, der mir Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Amen.
