Die große Scheidung - oder: das Leben jetzt wagen
Liebe Schwestern und Brüder,
wie schon an den letzten beiden Sonntagen, als es um die Gleichnisse der 10 Jungfrauen und der Talente ging, ist auch das heutige Evangelium von der großen Scheidung am Ende der Welt nur für den Angst machend, der nicht richtig zuhören will! Oder anders: diese Einladung zum Leben wird für den eine Bedrohung, der sich vor dem Leben drücken will!
- Nur Matthäus überliefert diese letzte Unterweisung Jesu an Seine Jünger, bevor Er ins Leiden geht. Damit ist es sozusagen Schlusspunkt, Höhepunkt, Finale all dessen, was Er ihnen und damit uns beibringen wollte und will. Es überrascht vielleicht in seiner Schärfe – links/rechts; Schafe/Böcke; gerettet/verdammt – aber damit soll etwas ganz Entscheidendes deutlich werden: Gottesbegegnung geschieht in der Welt, immer jetzt – und nicht an der Welt vorbei und irgendwann „später“ (wenn es mir und uns passt!). Wer es theologisch mag: Orthopraxie ist Jesus wichtiger als Orthodoxie! Also: entscheidend sind nicht die Glaubenssätze, entscheidend ist unser Tun!
- Glaubenssätze: Sie geben mir Halt und Orientierung. An ihnen schärft sich mein Denken; sie laden mich ein zum „Nach-denken“. Sie laden mich dazu ein, die Hintergründe der Welt – ja gerade auch jetzt in der Pandemie – mit ihnen in Verbindung zu bringen; sie also wie eine Formel zu verwenden, die mir hilft, die Gleichung meines Lebens zu verstehen. Aber diese Formeln oder – ein anderes Bild – dieser „Architektenentwurf“ sollen doch dazu dienen, dass ich ein Gebäude, mein Lebenshaus, errichten kann. Und dieses Gebäude ist konkret, man kann es anfassen, sehen!
Über Glaubenssätze, Formeln, „Architektenpläne“ stritt Jesus nur bis zu einem gewissen Punkt: bis zu dem Punkt, an dem es um den konkreten, einzelnen Menschen ging und geht. Wenn der Glaubenssatz, die Formel nicht dazu verhilft, diesen einzelnen Menschen zu sehen, seine Einmaligkeit wahrzunehmen und seiner Gottebenbildlichkeit zu begegnen, dann nutzt das alles nicht viel. Gerade der Bedürftige, Arme, Schwache ist im Blickpunkt Gottes. Und die Glaubenssätze, die Jesus mir beibringen will, sollen mir helfen, genau diese Blickrichtung Gottes einzunehmen.
- Jesus ist in Seiner Aussage unglaublich radikal: Er geht an die Wurzel (lat.: radix). Alle Völker werden versammel, so sagt Er. Alle. Unabhängig von ihrer Herkunft und Religion. Und das, was zählt: Ist der Einzelne dem konkreten Menschen, dem er begegnete, menschlich begegnet? Das ist der Maßstab. Dementsprechend wird gerichtet!
Ja braucht es denn dann überhaupt noch Religion: Tempel, Kirchen, Synagogen, Moscheen? Das ist doch dann überflüssig! Ein gelebter Humanismus ist dann doch angesagt. Das wäre richtig, wenn wir noch im Garten Eden leben würden. Tun wir aber nicht! Ganz im Gegenteil. Wir sind verwundet, verletzt, wir sind egoistisch, nachtragend und unbarmherzig. Wir trauen einander nicht und haben Angst – vor allem vor dem Leben!
Religion heißt: Wieder festmachen. Damit es so werden kann, wie einst in Eden gedacht: Der Mensch – Adam – in Einklang mit seinem Schöpfer, der Schöpfung, seinem gegenüber – Eva – und sich selbst. Wo Lehrsätze der Religion dazu verhelfen – gut! Wo nicht – geht darüber hinaus!
- Das heutige Evangelium erinnert mich daran, konkret zu sein, hier und jetzt zu leben und alle Sinne offen zu halten. Jetzt spielt sich mein Leben ab und jetzt gilt es, es zu leben. Auf morgen zu verschieben, was heute getan werden soll, ist eine beliebte Ausflucht, oft mit dem Argument der Zeit: dabei geht es darum, die mir von Gott gegebene Zeit zu nutzen und die reicht immer für das, was jetzt nötig ist! Wenn ich Zeit so vertrödle, verliere ich das Leben, das mir gegeben wurde: ich werde dann – im Blick auf das Evangelium von den 10 Jungfrauen – nicht mehr genug Öl haben; ich nutze – im Blick auf das Evangelium von den Talenten – nicht das, was mein Leben ausmacht und komme so zwangsläufig da raus, wo ich nie hinwollte und hinsollte: in der Situation, dass ich Gott mein Leben nicht reich und bunt zurückbringen kann. Das wäre Strafe genug. Meine Hoffnung ist dann aber auch: dass auch Gott die Orthopraxie wichtiger ist als die Orthodoxie, dass ER mich als Gefangenen sieht und mich nicht nur besucht, sondern befreit.
Aber: ich möchte Sein Freund sein und Ihm das ersparen! Amen.
Fürbitten
Herr Jesus Christus, du ermutigst uns, Dich selbst in unserem Nächsten, gerade dem Bedürftigen, zu shen. Wir bitten Dich:
- Schenke uns offene Augen, Ohren und Herzen, dass wir als Deine Kirche die Not und Bedürftigkeit anderer erkennen und in Deinem Namen handeln.
(Christkönig – wir bitten Dich, erhöre uns)
- Hilf den die Politiker gerade in dieser schweren Zeit, das menschliche Wohl vor rein wirtschaftliche Interessen zu setzen und schenke ihnen so den Mut für nötige Entscheidungen.
- Schenke den Schwachen, Kranken und schuldig Gewordenen jemanden, der ihnen begegnen will, ihnen zuhört und sie würdevoll behandelt.
- Segne das Tun derjenigen, die sich um Sterbende mühen: Bei der Linderung ihrer Schmerzen, in der Not des Alleinseins, in der Angst vor dem Nahen des Todes.
- Lass unsere Verstorbenen in dem Reich des Friedens wohnen, zu dem wir alle unterwegs sind.
Dir sei Dank, der Du uns das Vertrauen in den Vater lehrst, der mit Dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.