"Die besten Plätze - oder: Eingeladen zum Fest des Lebens"


Liebe Schwestern und Brüder,
es mag sich jetzt jeder vorstellen, dabei gewesen zu sein bei dieser Szene des Evangeliums: Als Eingeladener bei genau diesem führenden Pharisäer. Zu erleben, zu hören, was Jesus da sagt: Die Kritik, die Grenzüberschreitung, ja die Provokation. Wie wäre unsere Reaktion? Erinnerungen an Feiern, Einladungen kommen hoch, bei denen sich ein Gast daneben benommen hat. Unangenehm. Nicht angemessen. Hier haben wir eben nach der Verkündigung des Evangeliums gesagt: „Lob Dir Christus!“ Was loben wir denn da? Christus – wofür?
Erst wenn ich selbst etwas Befreiendes in dieser Erzählung entdecke, kann ich sie als „Frohe Botschaft“ identifizieren. Sonst ist sie „toter Buchstabe“! Wie kann ich mich dem Evangelium nähern?
- Nur Lukas überliefert diese Einladung Jesu bei einem führenden Pharisäer zu einem Gastmahl. In geraffter Form wird eine Beobachtung Jesu beschrieben – das Aussuchen der besten Plätze seitens der Eingeladenen, Sein Kommentar dazu – sich selbst erst einmal unten hinzusetzen, und schließlich Sein Rat – einfache und arme Menschen einzuladen. Geht’s hier also um soziale Verhaltensmuster, um Etikette, um Gästelisten? Da ist manches sicher begrüßenswert und sozial dienlich – das wird aber mein Verhalten nicht grundsätzlich ändern. Das geschieht nur, wenn ich spüre, dass ich selbst anders gesehen werde. Grundsätzlich anders. Das will Religion!
- Worum es im Tiefsten geht kann nur lauten: Stell dir vor, du bist ein Eingeladener. Du bist gemeint, erwünscht, du bist ein Geschenk. Dabei ist der Einladende Gott! und: Du bist nicht nur eingeladen, sondern ausdrücklich erwünscht als der, der du bist. Unglaublich!
Genau das erleben viele Menschen nicht: Als der und die angenommen zu sein, der sie sind – als der, der ich bin! Das hat Konsequenzen: Wir haben Masken auf, vergleichen uns, wollen gut dastehen. Das Umgekehrte hätte auch Konsequenzen: Ich muss mich nicht mehr vergleichen. Ich muss mich nicht besser machen, nicht zwanghaft nach Rangunterschieden schielen. Mein ganzes Dasein stellt sich anders dar, wenn ich mich und mein Leben als von Gott Eingeladener verstehe. Dieser Gedanke lässt mich die Welt – und natürlich auch mich selbst – anders sehen. Wie schwer fällt es gerade auch scheinbar gläubigen Menschen, genau das anzunehmen: Du bist eingeladen als der, der du bist! So viel Zwang, innere Abwertung gibt es da – oft natürlich als Reaktion auf Erfahrungen?! Das ist die Folge des Missbrauchs von Religion: Religion als Moralinstanz und nicht als Lebenshaltung.
- Das zeigt sich auch bei dem für uns Christen so zentralen Thema der Auferstehung. Jesu ist im Evangelium „radikal“, Er geht an die Wurzel, die auch unser Miteinander bestimmt. Die Pharisäer glaubten auch an die Auferstehung der Toten – aber dieser Glaube verwandelte nicht ihr Leben! Sie kämpften vielmehr – und hier sind wir durchaus auch in unserer christlichen Gegenwart – aus Angst um das eigene Leben um Ansehen, Privilegien, Einfluss und Macht. Der eine gegen den anderen. Was gehen uns da die Armen an, die Jesus da eingeladen haben will? Was scheren wir uns um die Benachteiligten, die Migranten – sollen die doch selber sehen. Wenn ich wirklich Vertrauen in die Unendlichkeit meines Leben hätte – weil es mir von Gott zugesagt wird, also in mein grundsätzliches Eingeladen-Sein, dann weiß ich: Das Beste kommt noch! Wie auch immer mein gegenwärtiges Leben aussehen mag. Nicht als Leistung, sondern als Geschenk. Wenn ich das weiß – und es geht um das emotionale Wissen – sehe ich die Welt anders, mit den Augen Jesu. Dann handele ich anders – im Sinne Jesu.
Das ist der eigentliche Mehrwert von Religion, auch von Christentum. Was gerade in unserer Welt und rund um uns herum geschieht – möglicherwiese auch morgen in zweien unserer Bundesländer – offenbart was passiert, wenn Religion als Lebenshaltung keinen Platz mehr hat: Die Mitmenschlichkeit verabschiedet sich.
Und in dieser Situation ist Jesu Wort des Evangeliums durchaus heute auch provokant – und damit eine Einladung zur Befreiung.
Amen.
Fürbitten
Zu Jesus Christus, der uns zum Fest des Lebens einlädt, wollen wir rufen:
- Lass Deine Kirche, jeden Christen aus der tiefen Freude leben, dass Du einen jeden von uns annimmst und liebst und hilf uns, diese Freude auszustrahlen.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns)
- Mache uns aufmerksam auf die, die sich abgelehnt und ausgestoßen fühlen, und lass uns ihnen Zeugen Deiner Nähe sein.
- Schenke uns Christen in dieser Zeit der Angst, Unsicherheit, Abschottung und Zerstörung der Schöpfung den Mut, Deine Botschaft zu bezeugen.
- Wir bitten für die, die sich auch bei uns für Schwache, Behinderte, Gescheiterte und Verzweifelte einsetzen: Lass ihr Mühen nicht vergebens sein.
- Lass unsere Verstorbenen erfahren, was wir als Geheimnis unseres Glaubens bekennen: Das Leben aus dem Tod.
Dir sei Dank, der du mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und herrschst in alle Ewigkeit. Amen.
