Das Leben nach Ostern – oder: Routine durchbrechen


Liebe Schwestern und Brüder,
die Erzählung dieses 21. Kapitels bei Johannes ist ein wenig eigenartig: Es ist ein Zusatz zum Evangelium, nachdem eigentlich alles gesagt worden war. Es war wohl der Eindruck vorherrschend, dass etwas fehlte – eine Antwort darauf, wie ich „nach Ostern“ das Leben lebe, wie „nach Ostern“ das Leben weitergeht.
Zunächst hat man den Eindruck, dass die Jünger sich langweilen würden. Sie sind wieder in Galiläa, dort, wo alles einmal begonnen hatte, wo sie der Herr von ihren Netzen und ihrem bisherigen Leben weggeholt hatte. Hinter ihnen liegen wunderbare und schreckliche Erfahrungen. Vor allem aber das Erleben des Auferstandenen: Sie hatten Ihn eben nicht nur sterben gesehen – obwohl da eigentlich nur Johannes dabei war! – sondern hatten eben auch die Erfahrung gemacht, dass ER plötzlich wieder da war, lebte, sich anfassen ließ, mit ihnen sogar aß. Und jetzt, zurück in der Heimat – was sollen sie tun?
„Ich gehe fischen“ – so sagt es Petrus. Irgendwas müssen sie doch tun. Gäbe es nicht anderes? Wäre es nicht angebracht, das fortzusetzen, was Jesus getan hatte, als sie noch mit Ihm zusammen unterwegs waren? Sie kehren zurück zu dem, was sie bisher auch getan hatten – was sie getan hatten, bevor sie Ihn trafen. Ja, wenn die Begeisterung des Anfangs erst einmal weg ist … Kennen wir das? Da brannte uns das Herz, da sagten wir uns: „Von jetzt an wird alles anders!“, und dann holt uns doch der Alltag wieder ein und wir nehmen die Beschäftigungen wieder auf, die uns auch vorher banden.
- Sie gehen also fischen. Sieben Jünger werden genannt. Fünf mit Namen und zwei ohne. Das bietet Raum, mich selbst in eines dieser Boote zu setzen. Mich über den Abstand der Zeit in die Gemeinschaft der Jünger zu begeben. Denn auch für mich ist die Zeit „nach Ostern“: Auch für mich beginnt der Alltag, der sich trotz Corona eingestellt hat, ja Corona ist Alltag geworden. Irgendwie richte ich mich dabei ein, mache das Beste draus – und Ostern?
- Irgendwie hatten wir es ja geahnt: In dieser Nacht fingen sie nichts. Und hier will uns der Evangelist etwas erzählen, was über das rein Faktische an diesem Ufer des Sees von Galiläa hinausgeht: Eine Stelle des Sees, an der warme Quellen sich in den See ergießen und Fische sich gerne aufhalten, es also gar nicht schwierig ist, sie bei Nacht zu fangen. Wir sollten uns also nicht im Staunen über das vermeintliche Wunder des dann doch stattfindenden Fischfangs aufhalten, sondern darauf schauen, was Johannes hier erzählt. Und an einer Stelle wird er besonders genau:
Da wird erzählt, wie die Jünger einen Mann am Ufer sehen, der sie nach dem Erfolg ihres Fanges befragt und ihnen aufträgt, noch einmal die Netze auszuwerfen. Sie sollen aber nicht einfach noch einmal die Netze auswerfen, sondern: auf der „rechten“ Seite! Warum ist das dem Evangelisten wichtig?
Ich stelle es mir vor: in einem kleinen Boot stehen die wenigen Männer. Wie machen sie das, das Auswerfen? Das muss irgendwie auch koordiniert werden, sonst klappt das nicht, sonst bringen sie das Schiff ins Schwanken. Hier wird der Evangelist ganz praktisch-konkret: Männer, die in der Regel Rechtshänder sind, werfen gemeinsam mit Schwung das Netz auf der linken Seite aus dem Boot! Routine eben. Da gibt es nichts mehr zu überlegen, das klappt schon. Aber: in dieser Nacht ist das wirkungslos.
Und jetzt kommt der fremde Mann am Ufer – wir wissen, dass es Jesus ist! – und sagt: Probiert’s auf der rechten Seite. Also: Macht es einmal anders. Einerseits sollen die Jünger das gleiche machen wie vorher, nämlich Fische fangen, dann wieder aber auch anders. Und genau dadurch geschieht das Wunderbare!
- Ist das nicht auch das, was uns durch Ostern verändern soll: Wir stehen, leben und arbeiten an den Orten, an denen wir auch sonst sind. Da ändert sich nichts – wenn wir uns nicht ändern! Wenn wir nicht – und wenn es auch nur durch eine kleine Verhaltensänderung geschieht! – einen Unterschied markieren, der etwas Entscheidendes deutlich machen soll: Dass der Herr durch Sein Wirken in unserem Alltag wirken kann. Indem wir immer wieder aus der Routine ausbrechen, kann das am besten geschehen: Dass sich Sein Geist neu mit unserem Alltag verbindet – und dann wird eben alles neu!
Jetzt, in der Corona-Zeit, sind wir alle gezwungen, viele Dinge, ja unseren Tagesablauf umzustellen. Die Routine zu durchbrechen. Das ist nicht nur schlecht. Auf alle Fälle ist es ungewohnt. Die Jünger erkannten dadurch damals: Es ist der Herr.
Lassen wir uns überraschen. Er ist derselbe. Auch heute. Am Ufer des Alltags meiner Routine.
Amen.
