Christliches Leben nach Weihnachten - oder: das Basislager verlassen
Liebe Schwestern und Brüder,
„das Wort wird Fleisch“ – Weihnachten – abgehakt? Wenn es uns ergriffen hat, dieses Fest, dann geschieht es: es „ergreift“ unser Fleisch, es geschieht etwas. Die entscheidende Frage ist, ob wir – jeder einzelne von uns – dem wirklich eine Chance geben, es für möglich halten, dass es geschieht: dass Sein Wort, Seine Gegenwart durch uns die Welt verwandelt!
Der geistliche Autor und Geigenbauer Martin Schleske1 spricht in seinem Buch „Herztöne“ von einer „Basislager-Theologie“ und bezieht sich auf den Philosophen Sloterdijk. Dabei geht es um die Mentalität, die wie ein „Basislager“ ist. Dieses Lager ist eigentlich dafür da, dass Vorräte angelegt werden und es der Ausgang und der Zielpunkt von Expeditionen ist. Was aber passiert, wenn das Basislager irgendwann selbst für das Ziel der Expeditionen gehalten wird? Anstatt aufzubrechen und Neues zu wagen, das eigene Leben konkret einzusetzen und das Leben außerhalb des Lagers zu erforschen, wird das Lagerleben optimiert. Man richtet sich ein und wird natürlich immer unzufriedener. Was kann da helfen?
Die Lesung aus dem Samuelbuch und das Evangelium weisen einen Weg. Da wird das Wort Fleisch. Und wenn wir beim Hören auch ein wenig Sehnsucht verspüren, dann geben wir dem Wort Raum:
- Der kleine Samuel ist im Tempel, er dient dort seit einiger Zeit dem alt gewordenen Priester Eli. Er selbst „kannte den Herrn noch nicht“, wie es heißt. Eigenartig: da kann man im Heiligsten Dienst tun und doch den Herrn nicht kennen. Samuel hört eine Stimme aber er kann sie nicht zuordnen. Da braucht es die Erfahrung des Eli,
[1] Martin Schleske, Herztöne, Lauschen auf den Klang des Lebens, 2016, 2197ff.
der ihm deuten hilft und ihn aufmerksam macht und rät: Sag einfach, du seist bereit! Mehr braucht es nicht. Aber auch nicht weniger: zumindest diese Bereitschaft. Darauf muss ich ja erst einmal hingewiesen werden.
Ja, das wünsche ich mir hier im „Basislager“ unserer Gemeinde: dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene eine Hilfe und Ermutigung erfahren, um die Stimme, die sie noch nicht kennen, verstehen zu können. Dass Kindern überhaupt gesagt wird, dass Gott spricht, zu jedem, wenn er es denn zulässt. Dass Fragen nach dem eigenen Leben, die Jugendliche oft umtreibt, im Dialog mit Gott eine Klärung erfahren können. Dass Herausforderungen, eine Krise, eine Krankheit, eine Lebenswende etwas sein können, wo Gott einbricht, durchbrechen will in ihr Leben. Gerade auch in das des Erwachsenen. Wir bieten hier den Raum, dass Gott sich diesem Einzelnen deutlicher zeigen kann. Hätte ich es als Jugendlicher nicht genau so erfahren, ich wäre meinen Weg nie gegangen.
- Im Evangelium hören wir von der Berufung der ersten Jünger. Auch hier ist es wieder ein Vermittler, der auf Jesus aufmerksam macht. Die Jünger sind aber keine Kinder mehr, sondern Männer mit Lebenserfahrung. Allerdings – und das ist das Entscheidende – sie sind offen für etwas. Wofür? Sie wissen es wohl selber noch nicht so genau. Zuerst sind sie Johannes dem Täufer gefolgt, der mit der verbeamteten Religion von Jerusalem brach – mit der Mentalität des Basislagers, das sich selber genügt. Aber offensichtlich reichte das den beiden nicht. Sie gehen Jesus nach und als ER sie anspricht – was sucht ihr? Was ist es, was ihr begehrt? – antworten sie mit der Gegenfrage: Wo bleibst du? Wo ist deine Bleibe? Das meint: Aus welcher Quelle schöpfst du, was gibt dir Kraft?
Was die Jünger sehen, das überzeugt sie. Sie sehen, erfahren, wo Er bleibt und das gibt ihnen den Mut zum Aufbruch, zur Expedition – raus aus dem Basislager des bisherigen Lebens hinein in das Abenteuer, das nur bei Gott zu finden ist.
Das ist es, was das Basislager einer Gemeinde sein kann: Ausgangspunkt für all die, die bei Jesus Bleibe finden, das eigene Leben wagen. Dafür muss man nicht den äußeren Standort des Lebens verändern – ich tue das, was ich immer tat, aber anders: ausdrücklich mit Jesus und von Ihm inspiriert! Dazu ermutigen. Uns gegenseitig darauf hinweisen. Wir kommen dann immer wieder hier im Basislager zusammen, erzählen, sammeln neue Gefährten, ruhen uns aus, erholen uns. Ja, natürlich feiern wir auch.
Uns gemeinsam darüber zu freuen, wie das Wort Fleisch wird. Durch uns, durch mich. Eine solche Kirche, Gemeinde, kann Mut machen. Anders als die, von der Martin Schleske auch spricht: das Basislager nämlich, dass sich nur noch über die aufregt, die das Brennen und die Sehnsucht nach der Expedition noch nicht verloren haben.
So weit darf es nicht kommen.
Amen.
FÜRBITTEN
Unseren Herrn Jesus Christus, der uns zur Freude eines Lebens in Seiner Gemeinschaft einlädt, bitten wir:
- Der Priester Eli ermutigte den jungen Samuel, der Stimme Gottes zu antworten: Mach uns als Kirche und hier in der Gemeinde aufmerksam dafür, wie Du gerade Kindern und Jugendlichen Deine Nähe anbieten möchtest, um sie in ihrem Leben zu begleiten.
(Christus, höre uns – Christus, erhöre uns
- Johannes der Täufer machte auf Dich aufmerksam: Hilf allen Getauften in dieser schweren Zeit der Pandemie, gerade diejenigen auf Dich hinzuweisen, die nach Sinn und Orientierung suchen.
- Du hast die beiden Jünger gefragt, was sie suchen. Hilf uns, unserer Suche nach Erfüllung Raum zu geben und Dich so immer besser kennenzulernen.
- Du bist gekommen, um Krankheiten zu heilen, Dämonen auszutreiben und die Frohe Botschaft zu verbreiten. Lass uns diesen Auftrag voller Freude und Zuversicht in Deinem Namen erfüllen.
- Schenke unseren Verstorbenen Angehörigen, Freunden und denjenigen, an die keiner mehr denkt, die Erfüllung ihrer tiefen Sehnsucht nach Dir.
Du bist ein Gott, der uns ruft, der das Ziel unserer Sehnsucht ist. Dir sei Dank und Ehre, jetzt und in Ewigkeit, Amen.